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Mitunter karikaturenhaft. Das Spiel der deutschen und polnischen Schüler.

© Offener Kunstverein

Kultur: Östrogen trifft Testosteron

„Aus dem Nebel geholt“ im FreiLand

Es wirkt schon ein wenig komisch, wenn nicht ein Mädchen stöhnend und fluchend, sondern ihr junger Freund das gemeinsame Kind auf die Welt bringt. Und als zwischen den Beinen einer Menschentraube, die wie in einer verschwörerischen Pose die Köpfe zusammengesteckt hat, den Mutterleib – oder in diesem Fall den Vaterleib – symbolisierend, ein „Neugeborenes“ den Kopf herausstreckte, ist die Verblüffung perfekt.

Am Donnerstag eröffnete die Potsdamer Theatergruppe Tarántula mit ihrer polnischen Partnergruppe aus Myszków die Theaterfreiluftsaison im „freiLand“. Unter dem Titel „Aus dem Nebel geholt“ arbeiteten beide Theatergruppen seit Januar an dem gemeinsamen Projekt. An zehn Tagen im April entwickelten die 40 Jugendlichen aus Polen und Deutschland in Potsdam dann gemeinsam das Theaterstück. Ziel war es, der eigenen Biografie nachzuforschen, also wie das Leben auf die Welt kommt, wie es wieder verschwindet und was dazwischen passiert. Angefangen damit, wie denn so ein Kind überhaupt entsteht.

Heftiges Gewackel unter der Bettdecke ließ keinen Zweifel daran, in welche Richtung das gesamte Stück gehen sollte. Witzig und manchmal vielleicht ein bisschen zu weit ins Lächerliche gezogen wurde ohne viel Requisite vor einer fast kahlen Steinwand und auf dem nackten Pflastersteinboden gespielt, nur mit dem eigenen Körper und ab und an einem Tuch oder einem Stuhl als Hilfsmittel. So wurde aus der Bettdecke ein Kinderwagen, aus einer tanzenden Meute wurden mit einfachsten Mitteln schwimmende Fische, die wiederum ganz einfach als Standbild das Foto aus dem Familienalbum darstellten. Der Tanz von Östrogen und Testosteron, der die Jugendlichen in ihren schwersten Phasen der Pubertät zeigte, entzückte nicht nur die Zuschauer, sondern auch die jungen Schauspieler selbst, die mit einem Glitzern in den Augen sehr viel Spaß an dieser Passage zu haben schienen.

Der Spaß und die Freude, mit dem die Jugendlichen zu Werke gingen, machte sogar die etwas übertriebene schauspielerische Darbietung wett. Ganz ohne eigenen Text, der auf Polnisch und Deutsch von außen eingesprochen wurde, versuchten sie möglichst viel in ihre Mimik und Gestik hineinzulegen, was häufig leider ins Karikaturhafte abdriftete. Das halb deutsche, halb polnische Publikum schien sich daran jedoch nicht zu stören. Neben herzlichem Schenkelklopfen breitete sich jedoch auch häufig Verwirrung unter den Zuschauern aus, wenn unverständliche Szenen, die scheinbar völlig abseits der Geschichte lagen, präsentiert wurden.

Diese, mit einfachsten Mitteln umgesetzte Inszenierung erwies sich im Großen und Ganzen jedoch durchaus als gelungen. Der entspannte Umgang, den die polnischen und deutschen Jugendlichen sowohl auf als auch neben der Bühne miteinander pflegten, lässt die Vermutung zu, dass dies nicht das letzte Aufeinandertreffen dieser beiden Gruppen gewesen ist. Chantal Willers

Chantal Willers

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