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Kultur: Ökologie, Ökonomie, Ökumene

Luther, Marx und Biomilch? Geht durchaus zusammen: Der Auftakt der Ökofilmtour 2017

Ein Ökofilmfestival und das diesjährige Reformationsjubiläum, wie geht das zusammen? Dass zur Eröffnung des 12. Festivals des Umwelt- und Naturfilms am Mittwoch im Potsdamer Filmmuseum nach Leiter Ernst-Alfred Müller ein Pfarrer über Luthers Thesen sprechen sollte, wirkte zunächst staunenswert. „Na ja“, wog Letzterer dann angesichts des Themenspagats einleitend auch den Kopf. „Aber Pfarrer können ja alles.“

Nun war der geladene Pfarrer nicht irgendeiner. Es war Friedrich Schorlemmer. Der Mann also, der zum Friedenstag 1983 in Wittenberg ein Schwert öffentlich zu einer Pflugschar umschmieden ließ – zu einer Zeit, als der Spruch „Schwerter zu Pflugscharen“, der wichtigste Slogan der Friedensbewegung in der DDR, illegal war. Frieden, Meinungsfreiheit und Ökologie: Das war in der Bewegung der 1980erJahre nicht zu trennen. Die Forderung nach atomarer Abrüstung war gleichzeitig eine Forderung nach gesellschaftlicher Öffnung. In einem Staat, der Raubbau an seiner Natur betrieb, wurde das Sprechen darüber zu einem politischen Akt, zur Opposition gegen die staatliche Linie. Nach der Wende schrieb Schorlemmer, nahezu im Jahresrhythmus, Bücher über den Frieden, den Glauben, den Kapitalismus. Zuletzt erschien 2016 „Unsere Erde ist zu retten. Haltungen, die wir jetzt brauchen“.

Dieser mit Sendungs- und Selbstbewusstsein gesegnete Kirchenmann also eröffnete die „Ökofilmtour 2017“, die sich in diesem Jahr thematisch dem Jubiläum „500 Jahre Reformation“ verschrieb. Bis zum 26. April werden insgesamt zwölf Kurzfilme und 45 Langfilme im Rahmen des Festivals durch ganz Brandenburg reisen, von Angermünde bis Zollbrücke. Schorlemmer verwies zunächst darauf, dass ja bereits die Reformatoren „die verunreinigten Quellen“ hatten auftun wollen. Womit man, ein Augenzwinkern, dann auch schon beim Thema sei. Das war mehr als ein willkommener Kalauer: Denn, so Schorlemmer weiter, Luthers 95 Thesen, die man im Übrigen keineswegs alle gelesen haben müsse, seien „aus Liebe zur Wahrheit und dem Bestreben, diese zu ergründen“, entstanden. Ein Impuls, der auch die Oppositionellen in der DDR antrieb – und, wie der Eröffnungsfilm im Anschluss zeigen sollte, die Öko-Aktivisten von heute.

In Schorlemmers Rede wurde das schmale Rednerpult des Filmmuseums tatsächlich zur Kanzel – wobei es zur Eigenart dieses Predigers gehört, dass er Franz von Assisi genauso zitiert wie Karl Marx. Die wesentlichen Botschaften waren zwei. Die eine stützt sich auf den von den Katholiken als Heiligen verehrten Franz von Assisi und geht verkürzt so: „Rede die Dinge mit Du an!“ Wer Respekt, eine persönliche Verbindung zu seiner Umwelt, entwickle, so der Gedanke, der schütze sie auch – egal, ob er sie als Ergebnis einer Schöpfung oder als Evolution ansieht. Der zweite Aufruf kam, dem Anlass angemessen, von Luther selbst. Schorlemmer zitierte hier die Inschrift an einem Balken des Luther-Hauses in Wittenberg: „Niemand lasse den Glauben daran fahren, dass Gott an ihm eine große Tat vorhat“ – eine große ökologische Tat, ergänzte Schorlemmer.

Respekt für die Welt, in der wir leben, und ein Verantwortungsgefühl für sie: Das sind die beiden Pfeiler, auf denen sich in Zeiten wie diesen laut Schorlemmer noch leben lässt, ohne der Verbitterung oder Resignation anheim zu fallen – auch wenn er Marx’ Forderung, man möge die Welt in einem verbesserten Zustand an die Nachfahren weitergeben, heute nichts als ein Traum sein könne.

Dass es dennoch Menschen gibt, die sich an diesen Traum wagen, zeigte der Eröffnungsfilm von Volker Koepp, der letztes Jahr auch auf der Berlinale lief: „Landstück“. Koepp porträtiert eine Landschaft und ihre – immer weniger werdenden – Bewohner: die Uckermark. Kein Ökofilm (was wäre das überhaupt?), sondern ein Liebesfilm. Die Kamera von Lotta Kilian streichelt die sommerliche Landschaft, den weiten Himmel. In die stille Beobachtung hinein erzählen Menschen, was sie hier früher taten und heute tun: Äcker bearbeiten. Früher in der LPG, heute vermehrt im ökologischen Landbau. Früher waren ganze Dörfer dabei, heute nur noch einzelne. Es geht um Grundbesitzer, die in München sitzen, um Geflügelfabriken, in denen Maschinen statt Menschen arbeiten und die Frage, wo der Rote Milan geblieben ist, der hier früher zu Hause war. Insgesamt kann man den Film auch als Paraphrase auf ein Bonmot Luthers lesen: „Vor einem Baum, von dem man Schatten hat, soll man sich verneigen.“ L. Schneider

Die Ökofilmtour 2017, bis 26. April. Am 15. Februar um 19 Uhr läuft der Festivalfilm „Neben den Gleisen“ im Filmmuseum Potsdam

L. Schneider

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