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Die Kanalinsel Sark ist direkt der britischen Krone unterstellt und wurde erst 2008 zur Demokratie.

© Bettina Borgfeld/promo

Ökofilmtour in Potsdam: Bettina Borgfelds Doku "Was kostet die Welt"

Die Landschaft ist wunderschön, die Menschen bilden eine Gemeinschaft. Doch dann kommen zwei Milliardäre auf die Insel Sark und ein heftiger Konflikt entbrennt.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Idyllische Küstenlandschaft, vor sich hin blökende Schafsherden, kein Autoverkehr. Sark mutet wie das perfekte Urlaubsziel an. Wie eine Auszeit von der Alltagshektik, ein Ruhepol jenseits der neuzeitlichen Moderne. Und tatsächlich verweilte die Kanalinsel, die direkt der britischen Krone unterstellt ist, bis zum Jahr 2008 noch im feudalistischen System. Echten Grundbesitz gab es nicht, allerdings ein Parlament. Die rund 600 Bewohner waren größtenteils zufrieden, lebten in einer gut funktionierenden Einheit. Davon erzählt Bettina Borgfelds Dokumentation „Was kostet die Welt“, die bereits 2019 im Kino zu sehen war und am Mittwoch noch einmal im Rahmen der Ökofilmtour im Filmmuseum gezeigt wird.

Vor allen Dingen erzählt der Film aber von dem Konflikt, der aufkam als die britischen Milliardärszwillingsbrüder David und Frederick Barclay begannen, Stück für die Stück die Insel aufzukaufen, die Gesetze vor Ort anzufechten und Luxushotels zu bauen. Was zunächst wie eine vielversprechende Entwicklung für die lokale Wirtschaft aussieht, wird bald zu einer Hetzjagd aus Verleumdungen, Drohungen und gefährdeten Existenzen.

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Konflikte sind Borgfelds Schwerpunkt

Mehrere Jahre hat Borgfeld die Bewohner von Sark begleitet, zunächst ist sie nur für eine Recherchewoche hingefahren, hat dann aber schnell gemerkt, dass vor Ort ein größeres Problem schlummert. Konfliktthemen beschäftigen Borgfeld, die 1964 in Bad Homburg geboren wurde und seit 1995 als Kamerafrau arbeitet, schon länger. Seit 2004 ist sie auch als Dokumentarregisseurin unterwegs, ihr Film „Schusswechsel“ aus dem gleichen Jahr, wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis und dem Deutschen Menschenrechtspreis ausgezeichnet. Darin begleitet sie israelische und palästinensische Fotografen. Ihr erster Kinofilm „Raising Resistance“ beschäftigte sich mit Bauern in Paraguay, deren Existenzen durch den Sojaanbau bedroht sind. Dabei versuche sie immer beide Seiten des Konfliktes darzustellen, nur so könne man zu einer Lösung kommen, wie sie im Gespräch mit den PNN sagt.

In Sark allerdings sei genau das ein Problem gewesen: Zu verkanntet, zu verknotet war und ist der Konflikt vor Ort. Durch das Einmischen der Barclay-Brüder – deren Hotelbauten übrigens größtenteils wegen mangelnder Nachfrage wieder geschlossen wurden – hat sich die Gemeinschaft vor Ort gespaltet. „Es gab natürlich auch schon vorher Konflikte, aber die Menschen hatten trotzdem gelernt, an einem Strang zu ziehen, jeder hat Verantwortung übernommen“, sagt Borgfeld. Jetzt gab es auf einmal die, die für die Barclays arbeiteten, ihr Land an sie verkauften, Hotels bauten, Fleisch an sie lieferten – und andere, die sich weigerten. 

Regisseurin und Kamerafrau Bettina Borgfeld.
Regisseurin und Kamerafrau Bettina Borgfeld.

© Marc Steffen Unger/promo

Eine Hetzjagd beginnt

Vor allem aber beginnt plötzlich etwas, was Borgfeld in ihrem Film mit dem System der Stasi in der DDR vergleicht: Die Menschen bespitzeln sich gegenseitig, wer sich gegen die Barclays und ihre Pläne ausspricht, muss mit Verleumdungen rechnen. Eine kleine Zeitung der Insel – deren Artikel höchst wahrscheinlich von den Barclays gut geheißen werden – vergleicht Sark plötzlich mit Nazi-Deutschland. Ein Reporter der BBC wird so eingeschüchtert, dass er in Borgfelds Dokumentation nicht mehr aussagen möchte. Auch sie gerät in das Schussfeld: „Es hieß, dass ich ethnische Säuberung unterstützen würde, mit einem Bild von Göbbels illustriert. So etwas möchte man wirklich nicht über sich lesen.“

Überhaupt gab es während der Dreharbeiten von 2012 bis 2016 immer wieder Rückschläge. „Die ersten eineinhalb Jahre wollte einfach niemand mit mir sprechen oder zumindest nicht vor der Kamera“, erzählt die Filmemacherin. Aufgeben wollte sie deswegen nicht: „Das ist nicht, was ich tue, ich bin ja auch eine gewisse Verantwortung eingegangen.“ Eine ihrer Protagonistinnen, Rosie, hat sie bei einer Wahl vor Ort getroffen. Ein Glück, wie Borgfeld sagt. Rosie und ihr Mann betrieben auf Sark eine Bed-and-Breakfest-Pension, Rosie gab außerdem Malkurse. Einer ihrer Kursteilnehmer war es dann auch, der vertrauliche Konversationen an die lokale Zeitung weitergab. Rosie wusste nicht mehr, wem sie vertrauen soll, die Ehe kriselte,schließlich verließ sie die Insel, wie der Film verrät.

Als zwei Milliardärsbrüder auf Sark investieren, kommt es zu Konflikten vor Ort – die so weit führen, dass Bewohner die Insel verlassen.
Als zwei Milliardärsbrüder auf Sark investieren, kommt es zu Konflikten vor Ort – die so weit führen, dass Bewohner die Insel verlassen.

© Bettina Borgfeld/promo

Aufwendige Rechtsprüfung des Films

Es ist dieser dichte, persönliche Blick, den „Was kostet die Welt“, der 2018 den Publikumspreis der dok Leipzig gewann, zu einem sehr emotionalen Film macht. Der kleine Mikrokosmos der Insel wird hier zu einem Symbol für kapitalistische Machtverhältnisse in der ganzen Welt, die Doku ein Plädoyer für Solidarität und Gemeinschaftswesen. Viele Protagonisten kommen zu Wort – ganz gleich, ob sie für oder gegen die Aktionen der Barclays sind. Nur mit den Barclay-Brüdern selbst konnte Borgfeld nicht sprechen.

Wegen des ständigen Druckes, den die Barclays ausübten, war auch die Rechtsprüfung des Films extrem aufwendig, wie Borgfeld erzählt. Teilweise mussten einzelne Wörter rausgeschnitten werden, weil sie Behauptungen implizierten, die zu einer Klage hätten führen können. Viele schlaflose Nächte hatte die Regisseurin, bis heute hat der Film keinen internationalen Verleih.

Von Sark schwärmt sie trotzdem. Erinnert sich gerne an die Drehs vor Ort, die schöne Landschaft, die Idylle – auch mit viel Nebel und Kuhfladen auf der Straße. „Unsere Ausrüstung haben wir mit dem Fahrrad transportiert, in der Nacht musste ich mit Taschenlampe in der Hand fahren, weil es keine Straßenbeleuchtung gibt“, sagt Borgfeld und lacht. Urlaub vor Ort könne sie nur empfehlen. „Die Insel ist eben auch eine Art Utopie. Und genau das hat mich daran so fasziniert.“

>>„Was kostet die Welt“, am Mittwoch, 12. Januar, in Anwesenheit von Bettina Borgfeld um 19 Uhr im Filmmuseum Potsdam

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