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Kultur: Noch “ne Schicht

Premiere von Circus Montellino in der Reithalle A

Anfangs trafen sie sich in den Wohnungen ihrer Eltern. Und überlegten, zu welchem Thema sie ein Stück entwickeln wollen. Denn das sie das wollen, stand, seit sie im letzten Jahr mit ihrem Projekt „Zwischenzeit“ so viele Circusbesucher begeistern konnten, bald fest. Sie: das sind 21 Jugendliche im Alter von 13 bis 19 Jahren des Potsdamer Kinder- und Jugendcircus Montellino. Und erst als sie einen ganzen Stoß Ideen gesammelt hatten, gingen sie zu den Erwachsenen. Die hatten eigentlich gedacht, dass so etwas nur alle zwei Jahre neben dem „eigentlichen“ Zirkusprojekt – 130 Kinder und Jugendliche trainieren wöchentlich an vier Nachmittagen - zu schaffen sei und für dieses Jahr weder Zeit noch Mittel waren dafür eingeplant.

Aber Jördis, Jakob und die anderen ließen ihnen keine Ruhe. Und konnten Regisseurin Gela Eichhorn und ihr Trainerteam bald begeistern. Vor allem auch, weil sie gleich am Anfang deutlich machten, dass sie vieles – von der Projektkonzeption, über die Werbung bis hin zur Sponsorensuche – selber machen können. Das war allerdings oft leichter gedacht als getan. „Die ersten Treffen waren sehr chaotisch“, erinnern sich Jördis und Jakob lachend. Alle redeten durcheinander, es gab wenig Abstimmung und manchmal sogar Streit, so dass auch das nächste Treffen „total in die Hose ging.“ Beide fanden sich daraufhin mit einem Dritten zu einem Organisationsteam zusammen und versuchten, alles erst mal zu strukturieren.

Aber das war ganz etwas anderes, als in der Schule Teamarbeit zu machen, sagt der 17-jährige Jakob nachdenklich. Er hatte eigentlich bis dahin geglaubt, das meiste von der Arbeit in einem Zirkus zu kennen. Denn er ist schon seit acht Jahren dabei, hat nicht nur als Clown, am Trapez und am Schlappseil gearbeitet. Doch diese Projektentwicklung hatte es in sich. Denn mit 20 Mitspielern, ein völlig neues Projekt zu entwickeln, ist selbst für Profis eine Herausforderung, wirft Gela Eichhorn ein. Nachdem vier weitere Trainer „mitspielten“, begannen alle zum Thema „Masken“ zu improvisieren, eigene Texte zu schreiben und Musik zu suchen. 1000 Puzzleteile entstanden und mussten zu einem Ganzen zusammengesetzt werden: einer Einheit aus Artistik, Theater, Tanz und Bewegungsseqenzen.

Das Stück wird unter anderem davon erzählen, wie es ist, aus Angst vor Zurückweisung oder Verletzung, Masken aufzusetzen. Aber noch mehr gelangten die Akteure im Laufe der Arbeit dazu, gerade die Momente zu zeigen, wo man diese ablegen und „echt“ sein kann. Sich zu öffnen und „wirklich“ zu berühren, konnten die Mitspieler auch bei den intensiven Kontaktimprovisationen lernen. Das ist mit Jugendlichen in diesem Alter eine echte Herausforderung und öffentlich eher selten zu sehen, betont die Regisseurin und lässt auch sonst durchblicken, dass sie überaus stolz auf den künstlerischen „Nachwuchs“ ist. Denn dass es auch beruflich in diese Richtung gehen soll, ist der 19-jährigen Jördis, seit sie sich bei Montellino engagiert, klar. Schon bald will sie eine Tanzausbildung beginnen, am liebsten an der Essener Folkwangschule. „Es bringt mir total viel“, sagt sie und meint allem die Entstehungsprozesse eines „Gruppenprodukts“. Da steht in den intensivsten Probenphasen - für alle nach dem Unterricht eine wirkliche zweite Schicht - die Schule auch schon mal ein Stück zurück. Doch die Erfahrungen, die sie bei der Zirkusarbeit machen, haben sie in jeder Hinsicht stark gemacht. Jördis wünscht sich, dass dieser Prozess des Selbstständigwerdens, auch wenn sie bald weg ist, für die anderen weiter geht. Die letzte Etappe fand gestern mit der „Umsetzung“ des Stücks aus einer Turnhalle in die Reithalle A statt, in der heute die Premiere stattfinden wird.

Astrid Priebs-Tröger

Weitere Vorstellungen: 9. März, 15 und 19 Uhr, 12. März, 10 Uhr, in der Reithalle A

Astrid Priebs-Tröger

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