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Kultur: Nicht nur die Brussig-Fan- Gemeinde kam Der Autor las zur 1. Bibliotheksnacht

Schon eine Viertelstunde vorher waren alle Plätze besetzt. Die noch nachströmten, mussten mit den grauen Sitzsäcken zwischen den Bücherregalen vorlieb nehmen.

Schon eine Viertelstunde vorher waren alle Plätze besetzt. Die noch nachströmten, mussten mit den grauen Sitzsäcken zwischen den Bücherregalen vorlieb nehmen. Oder gleich ihren eigenen Hocker mitbringen. Kurz vor acht wurde sogar noch eine Kübelpflanze in der Artothek der Stadt- und Landesbibliothek bewegt. Um der „Thomas Brussig-Fangemeinde“, so Bibliothekschefin Marion Mattekat bei ihrer Vorstellung, wenigstens einen Blick auf den Autor von Bestsellern wie „Helden wie wir“ oder „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“ zu ermöglichen.

Thomas Brussig, volle Säle gewöhnt, nahm´ s gelassen und geschmeichelt zugleich. Und reagierte gekonnt lässig auf die etwas papierne Laudatio. Um dann ohne Umschweife auf seinen Roman „Wie es leuchtet“ zu kommen. Den er selbst „für seinen stärksten“ hält, Kollege Volker Braun hingegen „die Schwarte“ nennt. Bevor der Autor mit dem Lesen loslegte, gab’s eine Zusammenfassung des 600 Seiten starken Buches und eine wortreiche Einführung der Hauptfiguren. Die dann aber in der Lesung gar nicht zu Wort kommen sollten.

Der 2004 veröffentlichte, von der Kritik kontrovers diskutierte Roman – einige sahen in ihm „den großen Wenderoman“, andere ein eher oberflächliches Stimmungsbild der Wendezeit – umfasst den Zeitraum vom Herbst 1989 bis zum Sommer 1990. Die schnell aufeinanderfolgenden Emotionen dieser Übergangszeit – das rauschhafte Glücksgefühl, die euphorische Aufbruchstimmung und die tiefgreifende Verunsicherung – kamen in den von Brussig am Samstagabend gelesenen Kapiteln ziemlich genau auf den Punkt.

Des Autors erzählerische Stärke liegt eindeutig in der originellen Momentaufnahme und der grotesken Überzeichnung der Figuren. Große Heiterkeit herrschte bei der Szene des ersten Westberlinbesuches des „korrekten“ Staatsanwalts Matthias Lange und seiner lebenslustigen Frau. Und den familiären Nachwirkungen am Morgen danach. Einige Beklommenheit hingegen bei der Schilderung der Vernehmung des Oberleutnants Lutz Neustein, der seine Beteiligung an einer brutalen Polizeiaktion vor dem Untersuchungsausschuss konsequent leugnete. Nachgerade skurril hingegen geriet die Schilderung der Vorbereitungsprozedur eines Gynäkologenbesuches der glücklosen Facharbeiterin für Schreibtechnik Kathleen Bräunlich.

Auf Seite 254 brach der Autor dann überraschend und dramaturgisch gekonnt ab, sicher nicht nur, um den amüsiert Zuhörenden die Schilderung ihres Aschenputteldaseins als Sekretärin eines herrschsüchtigen Parteisekretärs zu ersparen. Stattdessen gab’ s noch einen ironischen Seitenhieb auf Architekten und Immobilienhaie aus dem Westen, die im Sommer nach der Grenzöffnung übereifrig auf den Spuren Fontanes wandelten, um rentable Investitionsobjekte zu ergattern. Nach einer Stunde war dann leider etwas zu schnell Schluss. Das eng gestrickte Programm zur Bibliotheksnacht ließ es wahrscheinlich nicht anders zu. Man hätte sich gewünscht, dass noch ein Moderator wie Carsten Wist, den Autor Rede und Antwort stehen lässt. Stattdessen hatte der Buchhändler alle Hände zu tun, um die Nachfrage nach „Wie es leuchtet“ zu befriedigen.Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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