zum Hauptinhalt
Die Potsdamer Band Planet Obsolescence lässt den New Wave wieder aufleben.

© PROMO

New Wave aus Potsdam: Debut von Planet Obsolescence: Zurückkatapultiert in die 1980er

New Wave ist ziemlich retro - bei der Potsdamer Band Planet Obsolescence aber funktioniert er prima. Jetzt stellen die vier Musiker ihr Debütalbum „Recommends to Kill Yourself“ vor.

Potsdam - Ein Knacken, ein kurzes Kratzen: Die Nadel sucht sich die Rille der Langspielplatte, das wohlige Knistern beginnt. Erst einmal kommt allerdings: nichts. Und dann plötzlich seichte Flageolett-Töne, bevor der Opener mit dem sperrigen Titel „Colitis Ulcerosa“ eine Hommage an The Doors sein könnte. Die Potsdamer Band Planet Obsolescence klingt so dermaßen retro, dass man sich in die schrägen achtziger Jahre zurückkatapultiert fühlt: In „Going Blind“ setzt zunächst der Synthie-Bass ein, ein dumpfes Wabern, das von einer Gitarre und viel Hall nach vorn geschoben wird.

New Wave oder Blues-Hardrock? Festlegungen finden sie irrational

Inhaltlich mag das zwar stimmen, von den vier Musikern hat jedoch niemand die 1980er musikalisch erlebt. Dafür sind sie, die 20- bis 25-Jährigen, zu jung. Trotzdem haben sie mit „Recommends to Kill Yourself“ eine Platte aufgenommen - nein, keine CD! -, die nahtlos an einen Sound anknüpft, der längst obsolet sein könnte. Das Acht-Tracks-Vinyl, das beim Lalonova-Label von Kai Mader am 3. Juli veröffentlicht wird, kommt dennoch so unsagbar düster und gleichzeitig tanzbar rüber, wie es New Wave immer verzweifelt versucht hatte: gleichzeitig gleichgültig, ohne lästige Zäsuren, der Rhythmus flach und treibend.

„Devo“, sagt Synthiespieler und Gitarrist Pascal, auf die Frage nach musikalischen Vorbildern. Devo, die Band, die seit den 1970ern eine amerikanische Antwort auf New-Wave sein will? Klar, das habe er halt schon immer gehört. „Nee“, sagt Bassist und Sänger Nickel, „eher so Blues-Hardrock“. Die vier Potsdamer haben sich bei Jam-Sessions kennengelernt, eine musikalische Festlegung wäre irrational, finden sie. Das erste Konzert im Juli 2017, ein Jahr später dann eine EP. Nun eine Schallplatte: mit einer beeindruckenden Gestaltung des Künstlers Filip Kalkowski aus dem Rechenzentrum, die sich Pink Floyd damals sicherlich sofort gekrallt hätten.

Das erste Album von Planet Obsolescence wird am 3. Juli veröffentlicht.
Das erste Album von Planet Obsolescence wird am 3. Juli veröffentlicht.

© PROMO

Der Bandname: ein Wortspiel mit kalkuliertem Produktverschleiß

Planet Obsolescence, das ist kein unüberlegter Bandname: ein Wortspiel mit der „planned obsolescence“, was in etwa mit dem von Marketing-Strategen kalkulierten Verschleiß von Produkten übersetzt werden könnte. Metaphorisch könnte man es auch mit „Sollbruchstelle“ übertragen. Planet Obsolescence machen auch keine unüberlegte Musik. Was es letztlich ist: die weitere Facette einer Stadt, die sich mit Retro zwar auskennt, die 1980er Jahre jedoch konsequent ignoriert. 

„Ich bin hier umringt von Leuten, die ihre eigenen Synthesizer bauen“, erzählt Gitarrist Gonzo Kinski, „das ist ein Pool von Leuten, die ihr eigenes Ding machen.“ Und dennoch bedeutet Kreativität hier oft nur Einsamkeit, sagt er. Erst recht, wenn man diese latente Ranzigkeit braucht, diese verrauchte Wildnis, die man mitunter auch in Potsdam finden kann. Archiv, Spartacus, Zeppi26. Die Orte, in denen Konzerte noch im Nebel sind. In denen auch Planet Obsolescence eine Bühne und einen Namen haben.

So weit es eben geht mit Konzerten in Zeiten von Corona, ganz klar. Momentan können Planet Obsolescence keine Konzerte spielen. Aber vielleicht findet sich ja bald wieder etwas - kurzfristig, auf irgendeinem Dach vielleicht. Eine Sollbruchstelle will eben gefunden werden.

Planet Obsolescence: „Recommendsto Kill Yourself“ erscheint am 3. Juli auf Vinyl bei Lalonova Records. Digital hören kann man die Band auch bei Spotify und Bandcamp

Oliver Dietrich

Zur Startseite