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Vielschichtig. Das Stück spielt auch auf europäische Probleme an. 

© Thomas M. Jauk

Neustart am Hans Otto Theater: Prickelnd wie Badesalz

Am zweiten Premierenwochenende unter der Intendanz von Bettina Jahnke hatte am Samstag auch das erste Kinderstück Premiere: Ingeborg von Zadows „Haus Blaues Wunder“. Das Stück öffnet Gedankenräume - bis hin zu aktuellen politischen Bezügen für Erwachsene.

Herr Goldbeutel wird in feinem weißem Zwirn hereingekarrt, steif wie ein Brett. Pfefferkorn – na klar – trägt Schwarz. Kein edles nobles, eher ein abgewetztes, angegrautes. So wie sein kleiner abgelederter Koffer. Pfefferkorn zittert, das Leben hat ihm übel mitgespielt. Doch dann kriecht ein flauschiges Etwas auf seinen Arm, etwas, das ihm wieder Halt gibt.

Im wortlosen Prolog zeichnet sich ab, dass das „Haus Blaues Wunder“ viele Zimmer hat. Wir treten hinein: in ein Kinderstück von Ingeborg von Zadow, das die ernsten Dinge des Lebens federleicht und doch nicht leichtfertig in der Reithalle des Hans Otto Theaters ins Publikum hineinpustet. Wie Schäfchenwolken. Und mit Donner und Blitz, Regen aus Reiskörnern und Hagel aus Tischtennisbällen. Aus heiterem Himmel ergießen sie sich über das Haus in Blau, das Ulrike Müller auf der Drehbühne Jan Lehmanns in Szene setzt.

Das Eichhörnchen erweicht alle Herzen

Worum geht es in diesem Haus Blaues Wunder? Beide haben sich das Haus am Meer gekauft, beide haben einen Kaufvertrag. Bevor klar ist, wessen Vertrag rechtens ist, ziehen sie gemeinsam ein. Pfefferkorn, der nach langem Sparen seinen letzten Groschen dafür ausgegeben hat. Goldbeutel, dem dieses Haus noch in seiner Sammlung fehlt. Sie könnten unterschiedlicher kaum sein. Also bauen sie erstmal eine Grenze. „Badesalz“, das kuschlige Eichhörnchen von Herrn Pfefferkorn, ignoriert diese Grenze. Es springt zwischen die aufgetürmten Dinge des Herrn Goldbeutel, die dessen Leben bequemer machen. Aber ihm kaum noch Luft zum Atmen lassen. Benno Lehmann als prickelnd-aufmunterndes Badesalz mischt das Haus auf. Und die erstarrten Gefühle. Der rote Kobold bringt schließlich auch Herrn Goldbeutels Herz zum Erweichen.

Mit Julian Mehne als Herr Pfefferkorn und Peter Wagner, der in Potsdam kein Unbekannter ist, als Herr Goldbeutel treten zwei Schauspieler in den Ring, die in spielfreudigen Aktionen, ausdrucksstarker Präzision und lebensgetränkter Erdung auch die Gedankenräume der Erwachsenen füllen: mit Hintertüren zum Haus Europa. Entfacht wird ein turbulent-vergnügliches Mit- und Gegeneinander, das keineswegs nur in Schwarz-Weiß getaucht ist. Keiner der beiden Helden hat die Moral für sich gepachtet.

Pointierte Dialoge, spannungsgeladene Handlung

Trotz der Erkenntnis, dass Besitz nicht alles ist, könnte Herr Goldbeutel am Ende platzen. Wenn denn Platz wäre, in dem zugestellten Haus. Er wurde, wie auch Herr Pfefferkorn, gelinkt: von der Firma, bei der man Traumhäuser bekommt. Große Themen wie das Auseinanderklaffen von Reich und Arm, Abschotten und Solidarität kommen im „Haus Blaues Wunder“ in pointierten Dialogen unaufdringlich und in spannungsgeladener Handlung daher. Landläufige Redewendungen erhalten wie nebenbei einen tieferen Sinn.

Am Ende stehen beide Herren vor den Scherben ihres erhofften Glücks: betrogen, das Haus aus den Fugen - das Meer nicht in Sicht. Doch die Welt ist groß. Auch für Menschen mit kleinem Koffer.

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Nächste Familienvorstellung am Sonntag, 14. Oktober, um 15 Uhr in der Reithalle des Hans Otto Theater, Schiffbauergasse, für Kinder ab sechs Jahren

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