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Kultur: Neues vom Rotkäppchen und der Meerjungfrau

Maria Stolz war beim Lesesalon im Kunstgriff 23 zu Gast und traf den Nerv des Publikums

Man könnte meinen, über das Märchen Rotkäppchen sei schon alles gesagt. Und dass es nicht der Stoff ist, von dem sich erwachsene Zuhörer angesprochen fühlen. Doch weit gefehlt. Am Montagabend las im monatlich stattfindenden Lesesalon des Kunstgriffes 23 die junge Potsdamer Autorin Maria Stolz zum Auftakt ihrer Lesung prompt ihre eigene Version dieses allbekannten Märchenstoffes. Und zwar aus der „Großmutterperspektive“.

Die alte Frau Plon lebt im Wald und hat schon lange die Nase voll von den Kindern, die ständig zu ihr geschickt werden. Ihr Vorratskeller ist randvoll mit dem mitgebrachten Kuchen und Wein und wenn sie nur ein Bruchteil davon konsumieren würde, wäre sie längst eine „alkoholkranke Diabetikerin“. Stattdessen arbeitet sie gern im Garten und vertreibt sich viel Zeit mit einem ziemlich altersschwachen Kerl in Wolfsgestalt. Der passt zwar nicht ins Konzept von Forstinspektor Rüdiger Brandstetter aber sehr wohl in das einer Agentur mit Namen und Programm „Abenteuer Pubertät“.

Maria Stolz, die 1979 in Potsdam geboren wurde, schreibt seit über zehn Jahren. Begonnen hatte alles mit einem Drehbuchprojekt in der Schule und jetzt arbeitet die studierte Germanistin gerade an ihrem ersten Roman. Der soll den Titel „Undinge“ tragen und beschäftigt sich mit der Identitätssuche einer jungen Frau. In Gestalt einer wunderbar blauhäutigen Meerjungfrau. Diese hat sich zwar – anders als ihr berühmtes Vorbild von Hans Christian Andersen – nicht in einen Prinzen verliebt, sondern „einfach so“ entschlossen, an Land zu gehen.

Die ersten Ereignisse unmittelbar nach dieser Grundsatzentscheidung gab die hochgewachsene und zurückhaltende Autorin dann auch am Montagabend zum Besten.

Und sie traf damit den Nerv bei ihrem Publikum. Fast zwei Dutzend Literaturliebhaber hatten sich im inspirierenden „Wohnzimmer-Salon“ der Fotografin Heike Isenmann versammelt und lauschten amüsiert den originellen „Umdeutungen“ der altbekannten Geschichten. Allzu gern hätten sie auch die in der Presse angekündigte Geschichte vom „Froschkönig“ gehört, doch die hat Maria Stolz leider verlegt und so blieb ihr nur, diese mit eigenen Worten kurz zusammenzufassen. Die beliebte Ministerin Regine Hildebrandt wurde dabei mit leichter Hand und viel Witz eingewoben und versucht ausdauernd aber leider vergeblich, eine junge Frau zum heutigen Kampf für Frauenrechte zu bewegen.

Mit Esprit und ungewöhnlichen Stücken von Edward Elgar, Dmitri Schostakowitsch und Fritz Kreisler rahmte die Violinistin Bettina Mros die sehr unterhaltsame und zudem nachdenklich machende Lesung ein. Denn mit wenigen gekonnten Strichen skizzierte Maria Stolz auch in ihren Alltagsgeschichten „Herrmann gestohlen“ und „Orlowski“ einigermaßen abgründige Situationen gegenwärtigen menschlichen Zusammenlebens.

Astrid Priebs-Tröger

Nächster Salon am 16. März, um 20.30 Uhr mit Silvia Ladewig aus der Reihe „Geschichten, die ein Gemälde erzählt“, Carl-von-Ossietzky-Str.23

Astrid Priebs-TrögerD

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