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Das Museum Barberini in Potsdam zur blauen Stunde,

© Foto Ronny Budweth

Neues Museum, Geburtstage und Abschiede: Rückblick auf ein Jahrzehnt Kultur in Potsdam

Was prägt ein Jahrzehnt, was bleibt aus der Fülle der Ereignisse? Die wichtigsten Ereignisse in der Kulturstadt Potsdam von 2010 bis heute.

Potsdam - Am 1. Januar 2020 beginnt nicht nur ein neues Jahr, sondern auch ein neues Jahrzehnt. Aus diesem Anlass hat sich PNN-Autor Klaus Büstrin mit dem Kulturkalender von 2010 bis 2019 beschäftigt und erinnert an die Ereignisse, die ihm persönlich besonders im Gedächtnis geblieben sind. Manches scheint schon Geschichte zu sein, anderes ist immer noch aktuell.

Marianna Linden gehörte zum Ensemble des Hans Otto Theaters.
Marianna Linden gehörte zum Ensemble des Hans Otto Theaters.

© Ronny Budweth

2010

Der Internationale Orgelsommer Potsdam, der von den Kantoren und Organisten der Erlöser- und Friedenskirche, Friedrich Meinel und Matthias Jacob, 1991 ins Leben gerufen wurde, feiert seinen 20. Geburtstag mit renommierten Musikern aus Europa und darüber hinaus. Die Schuke-Orgel in der Erlöserkirche und die Woehl-Orgel in der Friedenskirche stehen traditionell im Mittelpunkt des großes Festes der Musica sacra.

Ihr 20-jähriges Bestehen feiern auch die Tanztage, die von der fabrik Potsdam veranstaltet werden. Ein Kosmos des abstrakten Tanzes wird in den verschiedenen Bewegungssprachen zeitgenössischer Choreographen aus aller Welt vorgestellt. Ein buntes und faszinierendes Festival.

Am Hans Otto Theater kommt Tobias Wellemeyers – damaliger Intendant des Hauses – Inszenierung der Bühnenfassung des Romans „Der Turm“ von Uwe Tellkamp zur Aufführung. Die mitreißende Geschichte von Menschen aus dem Bildungsbürgertum des versunkenen Landes DDR hat eine expressiv-nachdenkliche Deutung gefunden. Auf der Bühne des Theaters überzeugen vor allem Marianna Linden, Holger Bülow und Jon-Kaare Koppe mit beeindruckenden Leistungen in den Hauptrollen.

Antonello Manacorda.
Antonello Manacorda.

© Sebastian Gabsch

2011

Hundert Jahre nach Erteilung der Baugenehmigung für das erste Filmatelier in Babelsberg, am 3. November 1911, werden die Künstler, Handwerker und Organisatoren der Bioscop und ihrer Nachfolger Ufa, DEFA und Studio Babelsberg mit einer neuen Dauerausstellung im Filmmuseum gewürdigt. Eine Manufaktur der Träume von Künstlern und Mächtigen war die langlebigste Filmfabrik der Welt zu allen Zeiten. Sie produzierte in fünf politischen Systemen, von der Kaiserzeit bis zur Globalisierung, war geprägt durch Weimarer Republik, Nazizeit und DDR. Die Ausstellung ist den jenen Menschen gewidmet, deren Lebensenergie in Babelsberg seit dem ersten Film 1912 in mehr als 3000 Kino- und TV-Filme geflossen ist. Sie vollzieht von der Idee bis zur Premiere den Filmherstellungsvorgang in sieben Themenräumen nach. 100 Jahre Zeitgeschichte werden erlebbar.

Sein zehnjähriges Bestehen feiert im September die Kammerakademie Potsdam, das Hausorchester des Nikolaisaals. Unter der Leitung des Chefdirigenten Antonello Manacorda hat sie sich zu einem bedeutenden Klangkörper der deutschen Orchesterszene und darüber hinaus entwickelt. Die Konzerte geben davon Zeugnis sowie zahlreiche CDs.

"Friederisiko"-Ausstellung im Neuen Palais.
"Friederisiko"-Ausstellung im Neuen Palais.

© Kai-Uwe Heinrich

2012

Das neue Jahr hielt zugleich ein besonderes Gedenken bereit. König Friedrich II., der wie kaum ein anderer preußischer Monarch die Stadt an der Havel in Sachen Kunst geprägt hat, wurde am 24. Januar 1712 geboren. An seiner Gruft auf der oberen Terrasse des Schlosses Sanssouci gibt es 300 Jahre später ein dichtes Gedenk-Gedränge von Fans des Alten Fritz. Blumen und vor allem Friedrichs Kartoffelknollen, die er in Preußen eingeführt hat, bedecken die Grabplatte.

Doch auf das Großereignis mit Ausstellung und Konzerten mussten sich die Verehrer des Königs noch gedulden. Das Neue Palais, nach dem Siebenjährigen Krieg erbaut, um noch einmal die Präsenz preußischer Machtfülle zu präsentieren, ist erst Mitte April Schauplatz der Ausstellung „Friederisiko“, zu der die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg einlädt.

Knapp 1 500 Exponate auf 6 000 Quadratmetern – 1 000 gehören allein zur Ausstattung, 500 sind für die Schau dorthin gebracht worden. Die Hälfte davon als Leihgaben. Die Ausstellung erfreut und bildet rund 350 000 Besucher aus nah und fern. Es ist die größte Ausstellung, die die Stiftung jemals in Szene gesetzt hat.

"Jephtha" von Georg Friedrich Händel 2013 in der Friedenskirche.
"Jephtha" von Georg Friedrich Händel 2013 in der Friedenskirche.

© Stefan Gloede

2013

Das Schlosstheater im Neuen Palais ist geschlossen. Wohin mit dem erfolgreichen Projekt der Potsdamer Winteroper, fragen sich die Kammerakademie Potsdam und das Hans Otto Theater, die kooperierende Partner sind. Der angekündigte Ausfall des Spielbetriebs von vier Jahren soll in der Friedenskirche überbrückt werden. Aus vier werden jedoch sieben Jahre, wie wir heute wissen. Doch der italienisierende sakrale Raum im Park Sanssouci erweist sich als eigenständige und eindrucksvolle Spielstätte. Mit Georg Friedrich Händels Oratorium „Jephta“ wird die Winteropern-Reihe in der Friedenskirche eröffnet. Vertonte biblische Geschichten von Mozart, Scarlatti, Mendelssohn-Bartholdy oder Schubert geben einen erweiterten Einblick in die Welt der Musik- und Operngeschichte.

Der Verlag H.F. Ullmann, der leider nur für kurze Zeit in der brandenburgischen Landeshauptstadt ansässig war, sorgt für ein Buchereignis. Der opulente Bildband „Potsdam – Kunst, Architektur, Landschaft“ mit seinen glanzvollen Fotografien von Achim Bednorz ist eine einzigartige Hommage an die Stadt mit ihrer wechselvollen Geschichte und ihren Schönheiten.

Die Potsdamer Malerin Barbara Raetsch.
Die Potsdamer Malerin Barbara Raetsch.

© Andreas Klaer

2014

Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Berliner Mauer präsentiert das Potsdam Museum bildnerische Schätze mit Potsdamer und Ost-Berliner Stadtporträts. Die Ölgemälde, Aquarelle und Grafiken entstanden zur DDR-Zeit, vorrangig von Künstlern, die in Ost-Berlin und Potsdam tätig waren. Als Entwürfe für die Städte in den Jahren 1949 bis 1990 bezeichnen die Kuratoren die 125 Werke der Ausstellung „Stadt-Bild/ Kunst-Raum“. Von dem langen und oftmals mühevollen Prozess des Wiederaufbaus der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Stadtteile in Berlin und Potsdam, von Aufbruch und Stagnation, auch von neuen Ideen berichteten die Bilder. Manche Künstler verweigerten sich ideologischer Gefolgschaft der DDR-Oberen. Oftmals entbehren ihre gemalten oder gezeichneten Stadtszenen nicht einer kritischen Ironie. Das hin und wieder Provokant-Gesellschaftskritische musste – um nicht anzuecken – mehr oder weniger für den Zensor nicht auf den ersten Blick erkennbar sein. Künstler wie Harald Metzkes, Wolfgang Wegener, Peter Rohn, Manfred Butzmann, Barbara Raetsch oder Wolfram Buamgardt reflektierten den Wandel der Stadt und das Flüchtige.

Andreas Hueck, Leiter des Potsdamer Poetenpacks.
Andreas Hueck, Leiter des Potsdamer Poetenpacks.

© Ottmar Winter

2015

Lessings „Nathan der Weise“, das zentrale Theaterstück der Aufklärung, hat in Zeiten fundamentalistischer Parolen nichts an Aktualität verloren. Das spürt man während der Aufführung des Theaters Poetenpack in der Französischen Kirche. Regisseur Andreas Hueck hat mit einem weitgehend homogenem Darstellerensemble sowie mit Schülern verschiedener Religionen und mit Migranten-Hintergrund ein aufrüttelndes und unvergessenes Erlebnis erarbeitet. Mit dieser Inszenierungskonzeption ist das freie Theater in vielen Städten Deutschlands erfolgreich unterwegs, um junge Leute in die Aufführungen zu integrieren.

Das seit 2003 veranstaltete Vokalfestival „Vocalise“, konzipiert von Musik an der Erlöserkirche e.V. geht in diesem Jahr mit seinem Thema „Das Fremde in mir“ nicht nur auf den Spuren unserer gängigen Kultur, sondern erforscht auch das, was uns fremd erscheint. Nicht nur die sogenannte Hochkultur kommt zu Wort, sondern auch Jazz und Popmusik. Eine der bewegenden Höhepunkte ist die Uraufführung des Stückes „Ashkava“ des israelischen Komponisten Josef Bardanashvili in der Erlöserkirche. Ein berührendes Werk der Stille, das die jüdische Trauerliturgie neu verortet. „Schweigen ist auch Musik“, sagte der Komponist.

Die Potsdamer Fotografin Monika Schulz-Fieguth.
Die Potsdamer Fotografin Monika Schulz-Fieguth.

© Andreas Klaer

2016

Die Potsdamer Fotografin Monika Schulz-Fieguth zeigt erstmals in den Räumen des Potsdam Museums eine Ausstellung mit stimmungsvollen Landschaftsbildern und ausdrucksstarken Porträts. Damit hat sie retrospektiv ihr fotografisches Werk, das Potsdam und seine Bewohner ins Zentrum stellt, der Öffentlichkeit gegeben und in magische Welten entführt.

Im Jahr 2012 schloss das Schlosstheater im Neuen Palais seine Pforten. Eine umfangreiche Sanierung stand an. In diesem Jahr erwacht jedoch das Heckentheater am Neuen Palais zu neuem Leben, um nach einigen Veranstaltungen zum Jubiläum Friedrich des Großen wieder in den Dornröschenschlaf zu fallen. Doch ab Sommer 2016 ist das freie Theater Poetenpack Potsdam emsig dabei, die idyllische Naturbühne zu bespielen. Zum Start inszeniert Poetenpack-Leiter Andreas Hueck die romantische Komödie „Cyrano de Bergerac“ des französischen Dichters Edmond Rostand, ein heiter-melancholisches Spiel um Liebe, Missverständnis und Vertrauen. Das theatrale Sommerangebot im Heckentheater mit seinem romantischen Flair erhält von nun an eine schöne Bereicherung, das von immer mehr Besuchern der Stadt und darüber hinaus freudig begrüßt wird.

2017

Die Besucherschlangen wollen nicht enden. Der Künstlername Claude Monet gibt den Anlass beziehungsweise die Eröffnung des Museums Barberini am Alten Markt. Mäzen Hasso Plattner hat den im Zweiten Weltkrieg zerstörten Palast Barberini wieder aufbauen lassen und ihn den Potsdamern zum Geschenk gemacht. Ein Großereignis! Plattners private Sammlung mit DDR-Kunst und Ausstellungen von bedeutenden Künstlern, die als Leihgaben aus europäischen Museen und Galerien geholt werden, bereichern auf ungeahnte Weise das Kulturleben Potsdams. Mit dem Barberini-Wiederaufbau ist man auch der architektonischen Geschlossenheit des Alten Markt-Ensembles ein Stück näher gekommen.

Zur Potsdamer Mitte gehört die St. Nikolaikirche, Das größte protestantische Gotteshaus der Stadt musste seit ihrer Wiedereinweihung im Jahr 1981 auf eine dem Raum angemessene Orgel verzichten. Intensiv warb Kantor Björn O. Wiede und der Verein Musik an St. Nikolai bei Gemeindemitgliedern und Förderern für den Bau einer neuen Hauptorgel auf der Empore. Im September wurde das eindrucksvolle Instrument der Firma Kreienbrink zum liturgischen Gebrauch und zum Konzertieren übergeben.

2018

Ein Kommen und Gehen: Leitende Positionen künstlerischer Institutionen werden mit neuen Leuten besetzt. Gestandene Persönlichkeiten verabschieden sich. So läuft der Vertrag von Tobias Wellemeyer, Intendant des Hans Otto Theater, nach neun Jahren mit der Stadt aus. Für ihn hat Oberbürgermeister Jann Jacobs keinen neuen Aufbruch in Potsdam vorgesehen, obwohl er in den letzten drei Jahren seiner Amtszeit politisch aktuelles und inspirierendes Stadttheater zur Diskussion gestellt hat. Besonders das Stück über den Sänger Rio Reiser wurde ein erfolgreicher Dauerbrenner. Bettina Jahnke aus Neuss beginnt ihre Ära mit einer ganzen Reihe von Stücken. Sie selbst inszeniert mit nur mittelmäßigem Erfolg das Stück „In Zeiten des abnehmenden Lichtes“ von Eugen Ruge, ein Stück, das ostdeutsche Familiengeschichte und den starren Glauben an den Sozialismus thematisiert.

Die Musikwissenschaftlerin Andrea Palent verabschiedet sich nach fast 30 Jahren als künstlerische Geschäftsführerin von den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci, die sie zu einem der wichtigsten Zentren der internationalen Alten-Musik-Szene führte. Auch die Chefposition des Nikolaisaals gibt sie auf.

Hasso Plattner.
Hasso Plattner.

© Sebastian Gabsch

2019

Die international bekannte Blockflötistin Dorothee Oberlinger stellt die, von ihr erstmals konzipierten, Musikfestspiele Potsdam Sanssouci vor. Das Festival wird in der St. Nikolaikirche und auf dem Alten Markt eröffnet, mitten im Herzen Potsdams. Ein Novum. Intendantin Oberlinger möchte die Potsdamer und vor allem junge Leute stärker in das Festivalleben einbeziehen. Erwartungsgemäß stand die Flöte im Mittelpunkt der ersten „Oberlinger-Festspiele“. Bei den Konzertbesuchern gewann während der Lunch-Konzerte der Kammermusik-Wettbewerb für junge Musiker, die in der Alten-Musik-Szene zu Hause sind, große Aufmerksamkeit. Wettbewerbssieger können bei den Festspielen des Folgejahres ein eigenes Konzert bestreiten. 2019 das Ensemble Europa Danzarate.

Der 200. Geburtstag von Theodor Fontane ist ein trefflicher Anlass, wieder einmal ein Jubiläum zu feiern. Im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte wird mit einer spannend intelligenten Schau des märkischen Dichters gedacht. Die faszinierende Wanderung durch die Landschaft und in die Geschichte der Mark Brandenburg tut der Bildung gut, doch von pädagogischem Zeigefinger will die Ausstellung nichts wissen.  

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