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Lockig. Karl Frederic Schrickel (r.) spielt in Molières Stück einen der Alten.

© P. Plum

Neues Globe Theater Potsdam: Väter, Söhne, Bräute

Das Neue Globe Theater spielt ein Stück von Molière – und erkennt sich in dessen Nöten wieder.

Potsdam - So hatten sich das die beiden Väter nicht gedacht. Während sie gemeinsam auf Geschäftsreise sind, entwickeln die beiden Söhne zu Hause komische Ideen. Heiraten wollen sie, und zwar ihre Liebsten, nicht die von den alten Vätern ausgesuchten Bräute. Die beiden Mädchen aber sind mittellos, eine befindet sich sogar in den Händen einer Zigeunerbande. Geld wird also gebraucht – und der umtriebige und pfiffige Diener Scapin soll es den geizigen Alten aus dem Kreuz leiern. Er wird das auch schaffen und am Ende, nach allerlei Durcheinander, alle zufrieden machen – inklusive sich selbst, denn ein Schlitzohr ist er ja doch.

Molières „Die Streiche des Scapin“ ist eine kleine Ode an die Freiheit im Denken und im Wagen. „Ich hasse diese feigen Seelen, die aus Angst vor den Folgen nichts zu unternehmen wagen“, sagt Scapin. „No risk – no fun, das ist die Botschaft“, sagt Regisseur Kai Frederic Schrickel vom Neuen Globe Theater. Die freie Theatergruppe wird das Stück am Wochenende im T-Werk aufführen und im August noch einmal zu den Schirrhofnächten. Ein Stück, das eine Geschichte über die Liebe erzählt, ein Generationenstück über die unterschiedlichen Ansichten von Vätern und Söhnen und einen mutigen Mediator – und ein Stück Theatergeschichte.

Dem Publikum den Spiegel vorhalten

Molière schreibt es 1671, zwei Jahre vor seinem Tod. Zunächst wird es verrissen, zu übertrieben finden Kritiker die gezeichneten Charaktere. Wenige Jahre später wird es doch ein Erfolg. Vermutlich gerade wegen der Überspitzung. Molière hatte Charakterfiguren geschaffen, auch wenn sie sich an die traditionellen Figuren der italienischen Commedia dell’arte anlehnten. Da waren die Liebenden und die Unsympathischen, die Geizigen, die Trotteligen, und mittendrin immer einer, der das Spiel machte – Scapin. Scapin übertreibt es allerdings manchmal und vergaloppiert sich in seinen Bemühungen, sagt Schrickel. Aber er ist ein Typ, dem es Spaß macht, an andere zu denken. Nie würde er von dem Geld etwas für sich behalten.

Die Annäherung an die italienische Commedia passierte, nachdem Shakespeare in London schon sein Globe Theater begründet hatte. Theater ohne Illusionen und Effekte, stattdessen wurde das Publikum direkt angesprochen und somit zum Partner der Akteure auf der Bühne. Molière liefert wieder eine Show, aber eine, die mit dem aufgesetzten Deklamieren der Stücke von Racine und Corneille nichts mehr zu tun hat. Hier wird dem Publikum, dem Volk, der Spiegel vorgehalten. „Und das braucht jeder mal“, sagt Schrickel, der im Stück einen der beiden alten Väter spielt. Es tut gut, man lacht und wird unterhalten. Molière schreibt zudem ohne Versmaß, in Prosa. „Da sind tolle Dialoge und Klappsätze dabei, es geht hin und her, ein Wort ergibt das andere. Das macht schon Spaß“, sagt Schrickel.

Schauspieler ist kein Beruf zum Reichwerden

Der Spaß auf der Bühne ist damals wie heute bisweilen hart erkämpft. Schauspieler ist kein Beruf zum Reichwerden, sagt Schrickel, der an der Münchener Schauspielschule studierte, einige Jahre lang als Seriendarsteller arbeitete und sich nicht zu schade war für einen Fernseh-Doktor, dann an verschiedene Theaterbühnen wechselte und schließlich 2015 das Neue Globe Theater mitbegründete.

Das unsichere und unstete Schauspielerdasein kannte auch Molière. Er wollte nicht wie sein Vater königlicher Dekorateur und Raumausstatter werden, auch ein Jurastudium machte ihn nicht glücklich. Er schloss sich lieber einer Theatergruppe an und begann später, für diese Stücke zu schreiben. Als Leiter der Gruppe hatte er aber auch für auskömmliche Finanzierung zu sorgen, musste Förderer und Mäzene, die Spielstätten zu Verfügung stellten, auftreiben. „Das ist nicht anders als heute“, sagt Schrickel. Wenn das Land mal eben 20 000 Euro Fördermittel streicht – was dann? „Dann spart man zuerst bei der eigenen Gage.“

No risk – no fun. 

Deshalb wird es zu „Die Streiche des Scapin“ ein Vorspiel geben, eine Rahmenhandlung, die die Situation einer Theatertruppe zeigt. Molières „Stegreifspiel von Versailles“ lässt den Dichter und Theaterleiter persönlich vor sein Publikum treten. Das Dilemma: Die alte Spielstätte wurde abgerissen. Das neue Theater ist viel kleiner, muss aber durch Auftritte finanziert werden. Leider ist nun das Stück noch nicht fertig, ein Darsteller kam abhanden und Requisiten fehlen auch. Molière, gespielt von Saro Emirze, bittet also um Nachsicht. Und schlüpft im zweiten Stücke gleich selbst in die Rolle des Scapin. No risk – no fun. 

Premiere am 18. Juni um 20 Uhr im T-Werk in der Schiffbauergasse, weitere Aufführungen am 20. und 21. Mai

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