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So nah wie auf diesem Bild werden sich die Schauspieler in der Corona-Version von "Der tollste Tag" nicht kommen. 

© Philipp Plum/Neues Globe Theater

Neues Globe Theater Potsdam: Spielen mit Abstand

Das Neue Globe Theater zeigt auf den Schirrhofnächten "Der tollste Tag". Eine Komödie, die eigentlich viel körperliches Spiel enthält, doch nun müssen die Darsteller Abstand voneinander halten.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Begehren ohne Berührung zeigen, sexuelle Lust ohne Körperkontakt darstellen, Theater mit Abstand zwischen den Darstellern - kann das funktionieren? Ja, sagt Andreas Erfurth, ganz gut sogar. Der Potsdamer Regisseur und Schauspieler, der gemeinsam mit Kai Frederic Schrickel das Neue Globe Theater leitet, steckt gerade mitten in den Proben zu "Der tollste Tag oder Figaros Hochzeit". Die Komödie von Peter Turrini soll am 1. August Open Air auf den Potsdamer Schirrhofnächten Premiere feiern. Dabei müssen nicht nur die Zuschauer auf den Corona-bedingten Abstand achten, sondern auch die Schauspieler auf der Bühne.

Bei der Inszenierung eines Stückes, in dem es viel um Körperlichkeit geht, ist das eine ziemliche Herausforderung. "Im Prinzip geht es ja darum, dass sich alle in die Betten ziehen wollen", sagt Erfurth. Wer Mozarts gleichnamige Oper kennt, weiß worum es geht: Figaro ist überglücklich, endlich seine Susanne heiraten zu dürfen und freut sich zunächst noch, dass sein Dienstherr, der Graf Almaviva den beiden ein Zimmer im Schloss gleich neben dem eigenen Schlafgemach zur Verfügung stellt. Schließlich ist der Dienstweg für Figaro dann kurz. Was der Graf damit eigentlich bezweckt, geht ihm erst später auf: Almaviva möchte nämlich sein adeliges “Recht der ersten Nacht” einfordern und möchte Susanne verführen. 

Promofoto für "Der tollste Tag" aufgenommen vor dem Corona-Lockdown.
Promofoto für "Der tollste Tag" aufgenommen vor dem Corona-Lockdown.

© Philipp Plum/Neues Globe Theater

Sprachwitz statt Körperlichkeit

Die Inszenierung des Neuen Globe Theaters setzt nun den Fokus eher auf den Sprachwitz als auf körperliche Nähe, wie Erfurth sagt: "Das ist jetzt unsere künstlerische Aufgabe, bisher funktioniert es gut." Öffentliche Intimität könne es im Stück dann eben nicht geben, all das spiele sich im Hintergrund, unsichtbar für den Zuschauer ab. "Das ist auch eine Möglichkeit, die Spannung stärker, das Bedürfnis der Figuren nach Nähe deutlicher werden zu lassen."

Überhaupt musste das Neue Globe Theater die Textfassung des Stückes nochmal stark bearbeiten, denn an vielen Spielorten dürfen Stücke derzeit nur ohne Pause aufgeführt werden. Damit soll vermieden werden, dass die Zuschauer sich in der Pause dicht an dicht drängen. Wie das auf den Schirrhofnächten gehandhabt wird, ist laut Erfurth derzeit noch nicht klar, die Open-Air-Situation könnte vieles leichter machen. Doch da das Neue Globe Theater mit dem Stück auch auf Tour gehen möchte, kann es nicht für jede Situation eine andere Stück-Version parat haben. "Wir haben jetzt eine rund 90 Minuten lange Version erarbeitet, die wir je nach Stand wieder aufstocken können", sagt Erfurth.

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Finanzielle Situation nicht existenzbedrohend

Auch die Inszenierung von Bertolt Brechts „Leben Eduards des Zweiten von England“, das im Sommer 2019 Premiere im T-Werk feierte, wird auf den Schirrhofnächten zu sehen sein - und auch hier mussten Stellen überarbeitet werden, um den Abstand auf der Bühne einhalten zu können. Für die Erarbeitung zukünftiger Stücke, werde das Neue Globe Theater all diese Richtlinien mit beachten müssen. Die geplante Inszenierung von Klaus Manns "Mephisto", in der acht Darsteller auftreten sollten, ist zunächst verschoben. "Wahrscheinlich werden wir uns auf etwas Kleines konzentrieren, mit wenig Personen auf der Bühne, ähnlich wie bei unseren Indien-Stück", sagt Erfurth. "Auch um Kosten zu sparen."

Die Corona-bedingte Einstellung des Proben- und Spielbetriebs hat auch das Neue Globe Theater finanziell hart getroffen, allerdings nicht existenzbedrohend. "2019 war für uns ein sehr gutes Jahr und wir konnten unsere Kosten jetzt ganz gut runterfahren", sagt Erfurth. Durch das Corona-Soforthilfe-Programm der ILB bekam das Theater eine finanzielle Unterstützung von 4000 Euro - eine überschaubare, aber dankbar angenommene Hilfe, wie Erfurth sagt. Das Ensemble des freien Theaters setzt sich aus freischaffenden Darstellern zusammen, denen es aber wohl allen den Umständen entsprechend gut gehe. 

Die Ungewissheit ist belastend

"Uns allen hat das Theater natürlich sehr gefehlt", sagt Erfurth. Das sei besonders deutlich geworden als die Proben wieder losgegangen sind. Ihn persönlich hat während der erzwungenen Spielpause vor allem die Ungewissheit beschäftigt - und tut es noch. "Nicht zu wissen, was die nächste Spielzeit bringt, wie die Bedingungen sein werden, ist schon beunruhigend und auch belastend." 

Immerhin: Fast alle ausgefallenen Gastspiele können nachgeholt werden, in einigen Fällen allerdings erst in der übernächsten Spielzeit. Mit „Leben Eduards des Zweiten von England“ ist das Neue Globe Theater bereits im nächsten Jahr auf das Shakespeare-Festival in Neuss eingeladen. Bleibt zu hoffen, dass bis dahin auch wieder etwas mehr Körperlichkeit auf der Bühne möglich ist. 

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