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Mit einer Liebesgeschichte zum Erfolg. Der Schriftsteller Jan-Philipp Sendker.

©  Florentine Sendker

Neues Buch von Jan-Philipp Sendker: Eine Herzensangelegenheit

Mit „Das Herzenhören“ hat Jan-Philipp Sendker einen Bestseller geschrieben, jetzt folgt „Herzenstimmen“

Potsdam - Jan-Philipp Sendker hatte mit seinem Sohn getobt. Ausgelassen und wild. Dann lagen beide erschöpft auf dem Boden, der Kopf seines zweieinhalbjährigen Sohnes ruhte auf Sendkers Brust. Einer dieser stillen, viel zu kurzen Glücksmomente. Da sagte sein Sohn zu ihm, dass er Töne in der Brust des Vaters höre. Schnell schlagende Töne. „Das ist mein Herz, das jetzt etwas heftiger schlägt, weil wir so getobt haben“, sagte Sendker.

In den kommenden Tagen legte sein Sohn immer wieder den Kopf auf die Brust des Vaters, lauschte den Herztönen. Und da fragte sich Sendker, wie es wohl sei, wenn man das Herz eines anderen schlagen hören könnte. Nicht nur mit dem Ohr an der Brust, sondern über weite Strecken hinweg.

In seinem Debütroman erzählt Sendker eine Geschichte von Menschen, die Herzen hören. Über weite Strecken hinweg. Es ist die Geschichte einer bedingungslosen Liebe, die in dem kleinen Dorf Kalaw in den Bergen Burmas ihren Anfang nahm. Vor zehn Jahren erschien der Roman „Das Herzenhören“, der die Geschichte dieser unbedingten Liebe erzählt. Am morgigen Freitag stellt der in Potsdam lebende Jan-Philipp Sendker den Folgeroman „Herzenstimmen“ in der Villa Ritz vor.

„Ich weiß, dass ich schnell in die Schublade Verträumte Liebesgeschichte gesteckt werde“, sagt Sendker. Aber das ist für ihn kein Problem. Er wollte eine Geschichte erzählen, ein Buch schreiben, dabei aber nie irgendwelche Erwartungen erfüllen. Bei jedem anderen würde man bei solchen Worten skeptisch bleiben. Bei dem 52-Jährigen erübrigen sich aber hartnäckige Nachfragen. Für Jan-Philipp Sendker und sein Debüt „Das Herzenhören“ sprechen die Zahlen.

Weit über 500 000 deutschsprachige Exemplare wurden bisher verkauft, in 25 Sprachen ist „Das Herzenhören“ übersetzt, in Israel steht der Roman derzeit auf Platz 3 der Bestsellerlisten. Und dann ist Sendker noch etwas gelungen, was für viele deutsche Autoren ein ewiger Wunschtraum bleiben wird: Im Januar ist unter dem Titel „The Art of Hearing Heartbeats“ im Verlag Other Press die amerikanische Übersetzung erschienen. 100 000 Exemplare sind mittlerweile davon verkauft worden. „Der Regisseur Wim Wenders hatte sogar den Wunsch, den Roman zu verfilmen. So kitschig kann er also gar nicht sein“, sagt Sendker. Aber es hat Zeit gebraucht, bis „Das Herzenhören“ seine Leser fand, wie es auch Zeit gebraucht hat, bis Jan-Philipp Sendker sich endlich hinsetzte und sein erstes Buch geschrieben hat.

„Schriftsteller zu werden, das war schon mit 13 Jahren mein sehnlichster Wunsch.“ Als ihn sein Vater nach dem Abitur fragte, was der denn nun machen wolle, antwortete Sendker, dass er Bücher schreiben wollte. „Und worüber willst du schreiben“, fragte sein Vater zurück. Weil er keine Antwort wusste, entschied sich Sendker für einen Kompromiss: Er wurde Journalist. So konnte er schreiben und gleichzeitig auch Geld damit verdienen. Er ging zum „Stern“ und von 1990 bis 1995 war Sendker Amerika- und von 1995 bis 1999 Asien-Korrespondent. Und es war in seinem ersten Jahr im „Stern“-Büro in Hongkong, wo Sendker den ersten Impuls für seine spätere Erfolgsgeschichte „Das Herzenhören“ bekam.

„Es gab so viele interessante Länder, über die ich dort hätte berichten können, aber irgendetwas in mir sagte, dass ich unbedingt nach Burma müsse“, sagt Sendker. Bei seinem ersten Besuch in diesem abgeschotteten Staat in Südostasien betrat Sendker ein völlig fremdes Land, das sich über Jahrzehnte jeglichen westlichen Einflüssen verschloss. Sendker lernte Menschen kennen, die trotz der einfachen und manchmal oft auch schwierigen Verhältnisse nicht klagten, sondern dem Leben grundsätzlich positiv gegenüberstanden. Und er, der dem Leben bisher sehr rational gegenüberstand, lernte eine Welt voller Spiritualität und Zauber kennen.

Spricht Sendker über Burma, entschuldigt er sich schnell, weil er befürchtet, in irgendwelche blumigen Beschreibungen oder Klischees zu verfallen. Aber dieses Land hat ihn gepackt und nicht mehr losgelassen. Jedes Jahr reist er wieder dorthin.

Auch Julia Win, Anwältin in New York, reist in „Das Herzenhören“ in dieses exotische Land, aus dem ihr Vater stammt und in das er eines Tages wortlos wieder verschwindet. Und dort erfährt sie von einer bedingungslosen Liebe, die auch ihr Leben verändern wird.

„Ich wusste all die Jahre als Journalist, dass ich ein Buch schreiben werde“, sagt Sendker. Bis heute liegen gut 15 Romananfänge in seinem Schreibtisch. „Da bin ich nie über die ersten 20 Seiten hinausgekommen.“ Doch als sein Sohn so intensiv und fasziniert seinem Herzschlag lauschte, spürte er, dass die Zeit reif ist für eine Geschichte, die erzählt werden muss. 1999 nahm sich Jan-Philipp Sendker eine Auszeit. Damals lebte er in New York. Drei Jahre später erschien „Das Herzenhören“.

„Ich dachte natürlich, dass sich das Buch in den ersten zwei Monaten mindestens 60 000 Mal verkauft.“ Doch es waren nur 6000 Exemplare. In den ersten zwei Jahren. Für Sendker war das eine harte Erfahrung, auch wenn ihm sein Verleger erklärte, dass er mit 6000 Exemplaren eines Buches im Festeinband mehr als zufrieden sein könne. Als „Das Herzenhören“ dann nach zwei Jahren als Taschenbuch erschien, nahm die Erfolgsgeschichte ihren Lauf. Es war die Zeit, in der Sendker spürte, dass er nun endlich nur noch als Schriftsteller arbeiten wollte. Mit seiner Familie zog er nach 12 Jahren in New York und Hongkong nach Berlin, vor vier Jahren dann nach Potsdam, in die Stadt, die ihm zur Heimat geworden ist. Er schrieb mit „Risse in der Großen Mauer“ ein Sachbuch, mit „Drachenspiele“ und „Das Flüstern der Schatten“ zwei Romane einer geplanten Trilogie über China. Vor drei Jahren war dann auf einmal die Stimme von Julia Win aus „Das Herzenhören“ wieder in seinem Kopf. Ausgerechnet bei einem Besuch in Burma. „Ursprünglich war keine Fortsetzung des Romans geplant“, sagt Sendker. Als er seinem Verleger erzählte, dass er vor dem dritten Roman über China ein anderes Buch schreiben wolle, war der wenig erfreut. Als Jan-Philipp Sendker ihm erzählte, dass es sich bei diesem Buch um die Fortsetzung von „Das Herzenhören“ handelt, lächelte sein Verleger nur glücklich. Manchmal muss man einfach nur auf sein Herz hören.

>>Jan Philipp Sendker liest aus „Herzenstimmen“ am morgigen Freitag, 20 Uhr, in der Villa Ritz, Berliner Straße 136. Der Eintritt kostet 8, ermäßigt 6 Euro. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 870 96 59

Dirk Becker

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