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Kultur: Neuer Anstrich, alter Ort

Der Medienwissenschaftsstudent Daniel Heppe hat sich mit seiner Kamera dem Seebad Prora auf Rügen genähert Seine Fotos fangen mit genauem Blick die Widersprüche des Ortes ein – und sind nur kurz im Rechenzentrum zu sehen

Von Sarah Kugler

Ein verwildeter Innenhof. Die Hauswände sind fleckig, die zum Teil verbarrikadierten Fenster mit Graffiti beschmiert. Mittendrin stehen Tretboote in frischem Farbanstrich – weiß, rot, grün und blau. Ein Bild, das symbolischer kaum sein könnte für Prora, diesem Ort auf Rügen, der ab Mitte der 1930er-Jahre durch die Organisation Kraft durch Freude (KdF) zum großen Seebad umgestaltet wurde. Ein nie vollendetes Vorhaben. Ab 1950 folgte der Umbau zur großen DDR-Kaserne, seit 2004 die Umwandlung zu Wohn- und Hotelanlagen. Auch heute noch stehen sich in dem Ort Alt und Neu gegenüber. Dem historischen Zerfall tritt die Moderne gegenüber. Der Potsdamer Daniel Heppe hat sich dieser Umwandlung fotografisch angenähert. Im Jahr 2013 fällt ihm Prora während eines Binz-Urlaubs als Ort der Transformation auf, sofort entstehen erste Bilder mit dem Handy. Die Faszination lässt ihn nicht los, bis 2016 kehrt er immer wieder zurück. Seine Eindrücke fängt er in über 1000 Fotos mit der Kamera ein. 33 dieser Bilder sind noch kurz, bis einschließlich Samstag im Rechenzentrum zu sehen.

Heppe, der Europäische Medienwissenschaften in Potsdam studiert, ist täglich ab 16 Uhr selbst vor Ort und beantwortet den Besuchern Fragen. „Mir ist es wichtig, die Transformation, die sich in Prora vollzieht, so offensichtlich wie möglich darzustellen“, erklärt er. Das Rechenzentrum biete sich als Ausstellungsort schon deswegen an, weil es selbst von einem ähnlichen Prozess der Umgestaltung bedroht ist. Überhaupt ließe sich das Konzept auch in Potsdam gut weiterführen, so der 35-Jährige. Ein weiteres Projekt sei aber noch nicht konkret geplant. Zunächst müsse er seine Bachelor-Arbeit fertigstellen, in der er das Phänomen in Prora aufarbeitet. Seine Bilder erfüllten dabei vor allem einen dokumentarischen Zweck, wie er sagt.

Und so folgt die Gestaltung des Ausstellungsraumes einer chronologischen Abfolge, die allerdings für den Betrachter nicht sichtbar wird. Muss sie auch gar nicht, Heppes Bilder sprechen für sich. Manche bilden einfach nur ab. Etwa wenn er Werbeplakate ablichtet oder eine Sammlung von Flyern an einer Infotafel. Schon hier wird sein Blick für die kuriose, fast absurde Stimmung in Prora sichtbar. Etwa wenn ein Flyer für eine Picasso-Ausstellung direkt neben einer Döner-Buden-Werbung hängt. Viele von Heppes Fotos sind aber ein sehr genauer Blick auf den Ort und seine Verwandlung. Ein Blick, der ein sehr präzises Gespür für die Stimmung und die Formen von Prora hat. Neben den besagten Tretbooten, die scheinbar nur darauf warten, ins Wasser gelassen zu werden, fällt ein weiteres Bild sofort auf: Darauf dominiert ein junges Paar mit werbetypischem Zahnpastalächeln und Föhnwelle. Nur ganz schmal auf der linken Seite ist ein Stück Bauzaun zu sehen, dahinter ein altes Haus. Schöner-Wohnen-Romantik vor Abrissmasse.

Ein anderes Bild – das leider nur auf dem Ausstellungsflyer, nicht in der Ausstellung selbst zu sehen ist – zeigt eine Häuserfront. Die linke Seite eine Ruine, die rechte mit frischem Anstrich und neuen Fenstern. Keine Fotocollage, wie Heppe betont, sondern die Realität. Die Realität eines seltsamen Wandels. Sarah Kugler

„Prora – Ein Ort in Transformation“, noch bis Samstag, täglich von 16 bis 20 Uhr, sowie am 22. September und 23. September ab 18 Uhr

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