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Die 53-jährige Bettina Jahnke wird neue Intendantin am Hans Otto Theater.

© Marco Piecuch

Neue Intendantin am Hans Otto Theater Potsdam: Eine Heimkehrende

Mit Bettina Jahnke übernimmt ab Sommer 2018 erstmals seit 60 Jahren eine Frau das Hans Otto Theater. Sie leitet derzeit ein Theater in Nordrhein-Westfalen – verbrachte aber prägende Jahre in Brandenburg.

Man war sich offenbar sehr sicher. Nachdem die Arbeit der mit der Nachfolge von Tobias Wellemeyer beauftragten Findungskommission eher zögerlich in Gang gekommen war, fiel die am heutigen Freitag verkündete Entscheidung dann erstaunlich schnell. Die Nachfolgerin heißt Bettina Jahnke, derzeitige Intendantin des Rheinischen Landestheaters Neuss. Ab Sommer 2018 soll sie in Potsdam die Zügel in die Hand nehmen, als erste Frau auf dem Posten seit 60 Jahren.

Zwischen ihrem Vorstellungsgespräch in Potsdam und der Jobzusage lagen nur gut fünf Stunden. Am Donnerstagabend, zwei Wochen nach der ersten Sitzung der Findungskommission, traf sich die zehnköpfige Jury unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters zum zweiten Mal. Vier in die engere Auswahl gekommene Kandidaten stellten sich vor. Bettina Jahnke war um 15 Uhr dran, um 21.30 erhielt sie den Anruf des Oberbürgermeisters aus Potsdam. „Das ist doch der Hammer!“, wird Bettina Jahnke in der Neuss’schen Presse zitiert. Man wolle weiteren Spekulationen über mögliche Kandidaten erst gar keinen Raum geben, begründete Stadtsprecher Stefan Schulz den frühen, fast überstürzt wirkenden Zeitpunkt der Verkündung.

Den Ruf nach Potsdam empfindet Jahnke als eine Art Heimkehr

Im PNN-Gespräch beschreibt Bettina Jahnke den Ruf nach Potsdam als eine Art Heimkehr. „Ich kenne Potsdam, seitdem ich 20 bin. Es ist ein bisschen so, als ginge ich zurück zu meinen Wurzeln.“ 1963 in Wismar geboren, nennt sie sich selbstironisch ein „Zonengewächs“. Sie studierte an der damals noch nach Hans Otto benannten Theaterschule in Leipzig in den frühen 1990ern Regie, arbeitete dann als freie Regisseurin und wurde 2005 Oberspielleiterin in Cottbus. Den damaligen Intendanten Christoph Schroth und dessen groß angelegtes, inzwischen legendäres Festival „Zonenrandermutigung“ beschreibt sie als prägend – etwas, das für Potsdam hoffen lässt. Die „Zonenrandermutigungen“ brachten einmal im Jahr das große Theaterhaus in Cottbus bis in den letzten Winkel mit kleinen und großen Inszenierungen zum Beben. Sogar Berliner Publikum machte sich dafür nach Cottbus auf. Theaterfeuerwerke, wie man sie sich auch für Potsdam wünscht.

2008 ging Jahnke weg aus dem Brandenburgischen und wurde Intendantin in Neuss am Rhein, Ruhrpott. Ein Landestheater wohlgemerkt, also eines, das an Orte im ganzen Bundesland reist – und eigentlich eine Nummer kleiner als die Stadttheaterliga, in der das Hans Otto Theater spielt. Dass man auch an Landestheatern stadttheaterkompatible Konzepte versuchen kann, zeigt ein Blick auf die dortigen Spielpläne der letzten Jahre: Jahnke überschrieb ihre Spielzeiten mit Themen wie „träumen!“, „kämpfen!“, „lieben!“, „glauben!“ und schaffte es, mit Inszenierungen insgesamt viermal zum Theatertreffen in NRW eingeladen zu werden. Auch ihr Riecher für spannende neue Dramatik ist vielversprechend: 2014 inszenierte sie mit „faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete“ in Neuss einen Text von Ewald Palmetshofer, dem vielleicht talentiertesten zeitgenössischen Autor überhaupt. 

Oberbürgermeister Jakobs schwärmte von ihrem Auftreten

Eine über Nacht anberaumte Pressekonferenz mit Mitgliedern der Findungskommission gab am Freitag Auskunft darüber, was genau an Bettina Jahnke die Kommission so eingenommen hat. Oberbürgermeister Jann Jakobs schwärmte von ihrem aufgeschlossenen Auftreten, von der einnehmenden Art in der Präsentation ihrer Ideen. Und vom Konzept, mit dem sie sich bewarb: „HOT, das steht in Bettina Jahnkes Konzept für Haltung, Offenheit, Toleranz.“ Karin Schröter, Vorsitzende des Kulturausschusses, lobte Jahnkes „kommunikative Art“ und dass sie an den Themen der Stadt Potsdam stark interessiert sei. Außerdem beeindruckte Schröter, dass die Neue betont habe: „Vor dem großen Nachbarn Berlin muss man keine große Angst haben. Sondern man sollte sich lieber auf die eigene Kraft besinnen. So denkt auch Bettina Jahnke.“ 

In Neuss, eine Stadt in der Größenordnung Potsdams, habe Bettina Jahnke im Übrigen gelernt, wie es ist, von großen Nachbarn umgeben zu sein, ergänzte Volkmar Raback, der Geschäftsführer des Hans Otto Theaters und ebenfalls Mitglied der Findungskommission. Auch Potsdam habe mit Berlin ein Dreieinhalb-Millionen-Publikum vor der Haustür, das Jahnke „anzapfen“ werde. „Ich habe keine Bedenken, dass die Zuschauerzahlen in Potsdam wieder steigen werden“, so Raback.

Fachbereichsleiterin: Jahnke ist eine Netzwerkerin

Birgit-Katharine Seemann, Potsdams Fachbereichsleiterin Kultur und Museum, begrüßte die „frischen Ideen“, die Bettina Jahnke nach Potsdam mitbringe. „Es geht Bettina Jahnke stark auch um Vernetzung“, sagte Seemann – „vor allem in die freie Szene“. Man hofft also, hier jemanden gefunden zu haben, der tatkräftiger als bisher geschehen dabei hilft, die einzelnen Kulturstandorte an der Schiffbauergasse zu einem großen, schillernd vielschichtigen Ganzen zu verschmelzen. Dass dies Tobias Wellemeyer nicht gelungen ist, gilt als einer der größten Schwachpunkte seiner Intendanz. „Das Wichtigste“, sagte Seemann noch: „Man spürt, dass hier jemand für das Theater brennt.“ Einstimmig war die Entscheidung für Bettina Jahnke im Übrigen nicht – auch das könnte für sie sprechen, denn wo Haltung ist, ist nie nur Zuspruch. 

Gültig ist Jahnkes Wahl erst, wenn der Hauptausschuss, der kommende Woche tagt, und die kreisfreien Städte im Land Brandenburg, mit denen Potsdam im Theaterverbund ist, die Wahl zur Kenntnis genommen haben. Dann muss ihr noch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur zustimmen. Letzteres gilt als sicher, da das Ministerium auch in der Findungskommission vertreten war. Der Weg für die Heimkehrerin, das Zonengewächs, dürfte also frei sein.

2003 inszenierte Bettina Jahnke schon einmal in Potsdam, damals in der Blechbüchse: „Diese Männer“. Ein Stück für zwei Männer – besetzt mit zwei Frauen. Bisher ihre einzige Arbeit für Potsdam. Auf die kommenden darf man gespannt sein. 

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