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Peter Huchel, eindrucksvoll fotografiert von seinem Stiefsohn Roger Melis 1965 in Wilhelmshorst. 

© Roger Melis

Neue Biographie über Peter Huchel: Das Schweigen zwischen den Worten

Matthias Weichelt schrieb eine Biografie über Peter Huchel, die ganz nah an den Autor heranführt. Jetzt wird sie in Wilhelmshorst vorgestellt.

Potsdam - Wer Peter Huchels Leben in Bildern erzählen will, wird mit dem unverwechselbaren Gesicht des Dichters beginnen. Denn es spricht Bände. Und zieht sofort in den Bann: die Augen schmal und tiefliegend, mit buschigen Brauen, der Blick fast finster und fest auf sein Gegenüber gerichtet, die Haare im Abflug, das ganze Haupt massig, wie in trotzigem Zorn. Fotografiert von Roger Melis 1965 in Wilhelmshorst, hat das Leben bereits tiefe Furchen in Huchels Gesicht gezeichnet. Und eine Wucht, die noch heute spürbar ist.

Kein Wunder also und doch ein feiner Kunstgriff, dass Matthias Weichelt in seinem im Deutschen Kunstverlag erschienenen Band Peter Huchel mit „Der Dichter und sein Gesicht“ beginnt. Mit dieser, einem Vorwort gleichen Nahaufnahme gibt Weichelt den Ton an für seine wunderbare Biografie: Dicht dran, fast wie aus dem Inneren heraus und verwoben mit Peter Huchel, führt Weichelt durch dessen Leben und Werk. Auch das ist kein Wunder: Der 1971 geborene Journalist und Autor steht in den Fußstapfen Huchels, seit 2013 ist er Chefredakteur von „Sinn und Form“, der Zeitschrift, die der Lyriker einst gründete und zu Ruhm brachte und die in diesen Tagen das 70. Jahr ihres Bestehens feierte.

Wenn auch die Zeitschrift im Zentrum des Buches steht, so muss Weichelt den Anfang natürlich bei der Landschaft seiner Kindheit setzen. Hier, in der Mark, in Langerwisch, verbringt Huchel kurz nach der Jahrhundertwende die frühesten Jahre. Aufgrund einer Lungenkrankheit der Mutter und der Trunksucht des Vaters lebt er bei seinen Großeltern. Vor allem der Großvater, der Bücher liebt und „lebensuntüchtig denkt“, prägt ihn: „Wenn ein Ast am Obstbaum zuviel Früchte trug“, erinnert sich Huchel später, „hat er nicht eine Gabel darunter gestellt, sondern ein Gedicht darüber gemacht.“

Eine Magd zieht ihn auf, die ihm mit ihrer Nähe zur Natur und dem Zauber dörflicher Erzählungen die Magie von Sprache und Rhythmus erleben lässt. „Ich raune so lange meine Verse, bis die notwendigen – die hellen und die dunklen – Vokale die Grundstimmung der Seele ausdrücken“, wird Huchel später in Jugendjahren auf die Frage nach seiner Arbeitsmethode antworten.

Die noch fehlende geistige Formung der Gedichte lernt er dann erst, in den 1920er Jahren, beim Studium der Geisteswissenschaften in Berlin, Wien, Freiburg. Er reist viel, in europäische Großstädte, schlägt sich längere Zeit in Paris durch, in ganz Frankreich – ein Land, so Huchel, „das er sich fast zu lieben erlaubt“. Und doch kehrt er wieder zurück. Huchel taucht ein in die Künstlerwelt der Zwischenkriegsjahre, deren Grundstimmung er mit nur dem einen Wort „neunzehnhunderttraurig“ so unnachahmlich trifft. Weltbürger wird er, aber auch als solcher bleibt er in seinen Kreisen der Naturbursche. „Literarisch“, schreibt Weichelt, „lebt Huchel weiter auf dem Land“.

Später, nach Nazi-Not und Krieg, lebt Huchel in der DDR, ein Land, das mit dem „großen Mann“, wie Lutz Seiler im Epigraf schreibt, „nichts anzufangen wusste“. Doch leider wusste der Apparat es nur zu gut.

Mit seinem literarischen Gespür, seinem Können und ohne Parteibuch, wird Huchel 1949 Chefredakteur von „Sinn und Form“. Die neue Literaturzeitschrift gilt unter seiner Ägide laut Brecht als „die beste Visitenkarte der DDR“ – neben dem Berliner Ensemble, versteht sich. Sie ist weltoffen, von hoher Qualität, angesehen im Ausland. Und ein Betrieb an Eitelkeiten, die Weichelt mit feinem Sinn für Humor herrlich bloßlegt: wie Hanns Eisler etwa sich beim Chefredakteur beschwert, nicht gemahnt zu werden, seinen Artikel der Reihe „Die Dummheit in der Musik“ abzugeben, oder Erich Arendt seine Frau vorschickt, um auf die baldige Veröffentlichung seiner Gedichte zu drängen.

Geachtet und bewundert von seinen Autoren, stößt der charismatische Peter Huchel mit seinem hohen Anspruch und seiner strengen Festigkeit, die zur Autokratie ausartet, jedoch bald auf den Widerstand des engen Systems. Einmal, 1953, kann ihn Brecht noch retten, 1962 tritt er zurück – erzwungenermaßen.

Was folgt, ist so bekannt wie bitter. Und von einer Härte, die selbst Huchel mürbe macht: Überwachung, Publikationsverbot, Reiseverbot, Isolation in seinem Wohnhaus in Wilhelmshorst.

>>Das Buch wird am Montag, 25. Februar, um 20 Uhr, im Huchel-Haus Wilhelmshorst, Hubertusweg 41, vorgestellt. Das Gespräch mit Matthias Weichelt moderiert Sebastian Kleinschmidt. Eintritt 5 Euro/ erm. 4 Euro. Es gibt noch Restplätze bei rechtzeitigem Erscheinen (etwa 19.30 Uhr)

— Matthias Weichelt: Peter Huchel (Leben in Bildern). 2018, Deutscher Kunstverlag, Gebundene Ausgabe 22 Euro.

Grit Weirauch

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