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Kultur: Neu erschlossen

Alexander Nitzberg stellt Neuübersetzung vor

Die Schwingen der Schwalbe „schnaufen“, in der Sonne „flammt“ die „kläffende“ Trompete eines Soldaten, die Tram „brüllt“ los, und die Pferde lassen die Erde unter sich „in Fontänen bersten“. Es ist diese poetisch aufgeladene Sprache, diese zugespitzte Bildlichkeit, die beim Lesen von Alexander Nitzbergs Neuübersetzung des Romans „Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow (Galiani Verlag Berlin, 29,99 Euro) schnell auffällt. In fünfjähriger Arbeit hat der in Moskau geborene und heute in Wien lebende Lyriker und Übersetzer Bulgakows bekanntestes Werk nochmals aus dem Russischen ins Deutsche übertragen und dabei, gemäß seiner persönlichen Lesart, den Text modernisiert und neu erschlossen. Am Donnerstagabend wird Alexander Nitzberg seine Neuübersetzung von „Meister und Margarita“, die für den Preis der Leipziger Buchmesse 2013 nominiert wurde, in der Villa Quandt vorstellen.

„Meister und Margarita“ ist ein sehr vielschichtiger Roman, der in den 1930er Jahren spielt und zumeist von den turbulenten seltsamen Ereignissen erzählt, welche die Stadt Moskau in Unruhe versetzen, seitdem dort der Teufel und Schwarzmagier Voland mitsamt seinem grotesken Gefolge eingezogen ist. Reich an politischen und religiösen Anspielungen wurde Bulgakows Roman, der in Russland erst 26 Jahre nach dem Tod des Autors und zudem in zensierter Fassung erstmals 1966 erschienen ist, als brillante satirische Schilderung der stalinistischen Zeit und der sowjetischen Gesellschaft gelesen bald als Kultbuch gefeiert.

Nitzberg präsentiert nun Bulgakows Roman gerade mit Blick auf dessen komplizierte Entstehungsgeschichte und die spätexpressionistischen Manuskripte vor allem als einen „Schlüsseltext der Moderne“. Denn ganz bewusst hat Bulgakow in seinem Werk die erzählerischen Schablonen des 19. Jahrhunderts durchbrochen und nicht etwa einen realistischen Roman mit fantastischen Einschüben geschrieben, wie es die allgemein bekannte, deutsche Übersetzung von Thomas Reschke aus dem Jahr 1968 vermittelt. Für Nitzberg ergab sich also die Schwierigkeit, vor allem die Sprache der russischen in die der deutschen Moderne zu transportieren, was fast zwangsläufig zu Änderungen auf manchen Ebenen führte, so etwa bei der Erzählperspektive. Da es in der deutschsprachigen Moderne keinen (aber bei Reschke noch vorhandenen) auktorialen, allwissenden Erzähler mehr gibt und das Russische zudem keinen Konjunktiv kennt, Gedanken und Wahrnehmungen also viel unmittelbarer wirken, wählte Nitzberg für seine Übersetzung durchweg einen personalen Erzähler, sodass die gesamte Romanhandlung nun nicht mehr von außen, sondern quasi aus der Innensicht der Personen heraus erzählt wird. Bemerkenswert ist dabei, dass Nitzberg den jeweils ganz individuellen sprachlichen Duktus, den jede einzelne Romanfigur besitzt, noch stärker herausarbeiten konnte und sämtliche Dialogpartien separat behandelt hat, bevor er sie wieder in den Gesamttext einfügte. Im dadurch verschlankten Schriftbild überrascht auch der Satzbau. Denn im Gegensatz zur alten Übersetzung teilt Nitzberg längere Sätze häufig in mehrere kurze mit weniger Wörtern, was dann ein höheres Lesetempo erlaubt und dank der oft lyrisch durchwirkten Sprache ein stellenweise fast rauschhaftes Lektüreerlebnis gestattet. Daniel Flügel

Am Donnerstag, 28. Februar, 20 Uhr, Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47. Der Eintritt kostet 7, ermäßigt 5 Euro. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 280 41 03

Daniel Flügel

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