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Milan Šamko, Pianist, (1946-2019)

© André Looft

Nachruf | Milan Šamko: Jazz-Musiker kurz nach Weihnachten gestorben

Milan Šamko ist tot. Er galt als wichtiger Musiker der Jazz- und Bluesszene im Osten. Sein letztes Konzert wurde aufgezeichnet. Er hatte "so ein Gefühl", sagt André Looft vom Kulturhaus in Babelsberg.

Potsdam - Im Mai gab Milan Šamko sein letztes Konzert im Awo Kulturhaus Babelsberg. Er feierte sein 50-jähriges allgemeines Bühnenjubiläum, 50 Jahre Auftritte in eben jenem Haus und spielte dazu seine Komposition „Suite Nr. 1“, eine Fusion aus Blues, Klassik, Jazz und Neuer Musik, die ebenfalls 50 Jahre alt war. Šamko am kleinen Konzertflügel im Saal, wo er seit Jahren arbeitete und unterrichtete.

Aus irgendeinem Grund hatte man sich entschieden, das Konzert zu filmen und noch ein Interview mit Šamko zu machen. „Ich hatte so ein Gefühl, dass wir das machen sollten“, sagt André Looft vom Kulturhaus. „Es war das einzige Mal, dass er von sich erzählt hat. Auch die Geschichte, wie er als 15-Jähriger durch einen Tunnel von Kleinmachnow in den Westen flüchtete.“

Jetzt sollen Film und Interview zügig bearbeitet werden – für einen Erinnerungsabend an Milan Šamko.

"Das Tier am Klavier"

Wenige Tage nach Weihnachten ist der Pianist im Alter von 73 Jahren überraschend im Krankenhaus gestorben. Er galt als wichtiger Musiker der Jazz- und Bluesszene im Osten, er war vielseitig, gut vernetzt und gerade in und um Potsdam gut bekannt. Obwohl er ungern Rummel um sich machte. „Er war keine Rampensau, aber wenn er einmal am Klavier saß, war er nicht zu halten“, sagt Looft. „Das Tier am Klavier“ haben ihn manche genannt. Oder klangvoll-liebevoll „Milano am Piano“. Milan Šamko wurde in Leipzig geboren, der Vater war Musiker. Als Jugendlicher lebte die Familie in Kleinmachnow, mit einem Freund flüchtete er Anfang der 1960er in den Westen. Er wollte dort Musik studieren, hätte dafür aber ein Abitur machen sollen. Das schien ihm zu aufwendig. Zwei Jahre später kehrte er in die DDR zurück und durfte, nachdem der Ärger mit der Stasi wegen der früheren Republikflucht beigelegt war, tatsächlich an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin Klavier und Komposition studieren. Klassik zunächst, aber eigentlich war längst klar, wohin er wollte und musste. „Andere interessieren sich erst für Blues und Jazz und entdecken später die simple Schönheit der Klassik. Ich habe diese sofort erkannt und lasse nun Einflüsse aus dieser Musikrichtung in mein Jazzspiel einfließen“, sagte er einmal.

Enger Kontakt mit der alten Garde

Nach dem Studium arbeitete er als freier Musiker. Seit den 60er Jahren spielte er regelmäßig am alten Babelsberger Rathaus. Anfangs im Ratskeller in der Reihe „Jazz am weißen Flügel“. Herbie Hancock war sein großes Vorbild, Miles Davies, Keith Jarrett. Aber er konnte eben auch Klassik, war gefragter Studiomusiker für Aufnahmen der DDR-Plattenfirma Amiga. Er spielte Chansons für die bekannte Sängerin Sonja Kehler. Mit Schlagzeuger Wolfgang Zicke Schneider und Saxophonist Konny Körner gab er zahlreiche Jazzkonzerte. Mit der alten Garde der Jazz- und Bluesmusiker blieb er bis zuletzt in engem Kontakt.

In Potsdam gehörte er jahrelang zur 1991 gegründeten Band Pass over Blues. „Er war ein hervorragender Musiker. Er konnte witzig sein, aber auch sehr speziell“, sagt der Potsdamer Gitarrist und frühere Bandkollege Roland Beeg. „Vor Auftritten fühlte er sich jedes Mal sterbenskrank. Aber mit den ersten Tönen war er sofort voll da.“ Eine Wandlung wie durch einen Jungbrunnen. „I feel so fine“ spielte er auf einer CD mit Pass over Blues. „Wir sagen Danke, Milan“, schreiben die Kollegen auf ihrer Homepage.

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