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Carsten Wist in seinem Potsdamer Buchladen.

© Ronny Budweth/Archivbild

Nachlese zur Leipziger Buchmesse 2019: „Man muss sowieso durch den Sturm“

Der Potsdamer Buchhändler Carsten Wist verrät die Highlights der Leipziger Buchmesse - und warnt vor literarischen Flops.

Von Helena Davenport

Herr Wist, welche der auf der Leipziger Buchmesse vorgestellten Bücher sind bald in Ihrem Laden zu entdecken?
 

In diesem Jahr war die Messe ja sehr spät. Somit liegen viele Bücher, die in Leipzig heiß diskutiert wurden, schon jetzt in unserem Laden, „Lieber woanders“ von Marion Brasch zum Beispiel, oder Wolf Biermanns neuer Erzählband „Barbara“. Aber eine Kostbarkeit durfte ich auf der Messe zum ersten Mal berühren: „Max, Mischa und die Tel-Offensive“ von dem großen Norweger Johan Harstad, über 1000 Seiten lang. Das Buch habe ich dann natürlich direkt bestellt.

Gab es auch Enttäuschungen?

Ja, durchaus. Mit seinem jüngsten Buch „Gegenlauschangriff“ hat sich Christoph Hein keinen Gefallen getan. Die Anekdoten, die es versammelt, sind zu fluffig, das Ganze gleicht einem Zettelkasten.

Welche Themen standen im Vordergrund?

Das Thema Umwelt kommt in diesem Jahr sehr oft vor, und interessanter Weise Tiere. Nicht nur in Sachbüchern, auch in der Belletristik kommen viele Tiere vor. Aber auch das Thema Migration aus der Perspektive derjenigen, die flüchten, spielt eine Rolle, das Fremdsein und die hiermit verbundene Frage, wie man bei denen ankommt, für die man fremd ist.

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Und die Rolle des Buchhandels selbst, inwiefern war sie Thema?

So eine Buchmesse ist auch eine Art Börse, um Autoren zu treffen, um herauszufinden, wann ein neues Buch fertig sein könnte. Und das macht natürlich Spaß – obwohl es ein Tanz auf dem Vulkan ist. Die Risse werden größer, der Abgrund rückt näher, aber wir bestellen trotzdem noch eine Flasche Champagner. Und das obwohl auch zur Sprache kam, dass viele kleine Verlage größte Probleme haben, insbesondere angesichts der Insolvenz des größten Buchhändlers KNV. Aber man will sich die Feierlaune nicht verderben lassen – gerade weil der Alltag so grau ist. Und man muss als Buchhändler sowieso durch ihn hindurch, durch den Sturm.

Gab es eine Besprechung, die sie in lebendiger Erinnerung behalten haben?

Gleich am ersten Tag hat der Verleger Sebastian Guggolz zusammen mit der Übersetzerin Olga Radetzkaja den russischen Autor Boris Poplawski, der schon sehr früh gestorben ist, vorgestellt. Er hat nur ein einziges Buch geschrieben, den Roman „Apoll Besobrasow“, in dem er eine Boheme-Szenerie entwirft. Das war eine Begegnung mit einem Autor, den ich zuvor noch gar nicht kannte.

Welche Neuigkeiten aus dem Gastland Tschechien fanden Sie interessant?

Pavel Kohouts Biografie, Jaroslav Rudiš’ „Winterbergs letzte Reise“ – der Autor nimmt den Leser mit auf eine Bahnfahrt durch Osteuropa – und „Ein empfindsamer Mensch“ von Jáchym Topol.

- Die Fragen stellte Helena Davenport

— Johan Harstad: Max, Mischa und die Tet-Offensive. Rowohlt Verlag, deutsche Erstausgabe 2019, 1248 Seiten, 34 Euro.

ZUR PERSON: Carsten Wist, 1957 in Pritzwalk geboren, arbeitet seit 1991 als Buchhändler. 2003 öffnete „Wist – Der Literaturladen“, der 2015 mit dem Deutschen Buchhandlungspreis gewürdigt wurde.

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