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Im Rausch des Sieges. Mit Leidenschaft, aber auch mit Gewalttätigkeit erfüllte der alttestamentarische Prophet Elias (hier dargestellt von Holger Falk) seine Aufgabe, den Götzendienst auszurotten. Mendelssohns Oratorium ist die diesjährige Winteroper.

© Stefan Gloede

Musik: Winteroper in Potsdam: Einer, der brennt

Mit seinem „Elias“ porträtierte Mendelssohn einen Propheten, der an Aktualität bis heute nichts eingebüßt hat. Bis zum 2. Dezember ist das Oratorium in der Friedenskirche als Potsdamer Winteroper zu hören.

Potsdam - Rund 2000 Konzertbesucher bejubelten Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium „Elias“, als es im Jahre 1846 in der Town Hall in Birmingham zur Uraufführung kam. Ungefähr die gleiche Zuschaueranzahl werden die sechs bereits ausverkauften Vorstellungen der diesjährigen Potsdamer Winteroper haben, wenn nun das Oratorium in der Friedenskirche Sanssouci zur szenischen Aufführung kommt. Mehr Publikumsplätze sind nicht drin. Aber es sind immerhin mehr als im Ursprungsort der Winteroper, dem Schlosstheater im Neuen Palais. Dorthin wird die Winteroper 2019 nach seiner dann siebenjährigen Sanierung wieder zurückkehren.

Zum fünften Mal finden in diesem Jahr das Hans Otto Theater und die Kammerakademie Potsdam für ihre Kooperation im romantisierenden Gotteshaus im Park Sanssouci ein Domizil. Ein besserer Ort für die szenische Einrichtung ließe sich auch deswegen nicht finden, weil die Kirche mit ihren 170 Jahren fast genauso alt ist wie Mendelssohns Oratorium. Die Veranstalter hatten sich für ihre Gastrolle im sakralen Raum von Anfang an vorgenommen, Opern und Oratorien mit biblischem Inhalt aufzuführen.

Die große Prophetengestalt des Alten Testaments

Das ist ihnen eindrucksvoll gelungen, obwohl neutestamentarische Stoffe bisher fehlen. In diesem Jahr entschied man sich für Elias, die große Prophetengestalt des Alten Testaments, mit dem sich Felix Mendelssohn Bartholdy mit großem Eifer auseinandersetzte. Der Komponist hatte ursprünglich vor, eine Oratorien-Trilogie mit Gestalten der Bibel zu schreiben: Elias, Christus und Paulus. Einzig bei Christus kam er über ein konzeptionelles Nachdenken nicht hinaus.

Mendelssohn wollte den Glaubensweg des Propheten Elias zeigen – in seiner Wechselwirkung mit der Gemeinschaft, dem Volk Israel: „Ich hatte mir beim Elias einen rechten durch und durch Propheten gedacht, wie wir ihn etwa heut’ zu Tage wieder brauchen könnten, stark, eifrig, auch wohl bös und zornig und finster, im Gegensatz zum Hofgesindel und Volksgesindel, und fast zu der ganzen Welt im Gegensatz, und doch getragen wie von Engelsflügeln.“

Propheten brennen für ihre Überzeugung. Aber sie legen auch Brände. Sie sehen mehr, sehen weiter und tiefer. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund. Sie leiden an ihrer Gegenwart, aber sie geben die Hoffnung nicht auf. Propheten künden den Frieden und preisen die Gerechtigkeit. Einen faulen Frieden möchten sie nicht zulassen und geißeln die Ungerechtigkeit. Bedeutende Propheten in der Bibel sind Micha, Jeremia, Jesaja – und jener Elias, der im 9. Jahrhundert vor Christus im Nordreich Israel wirkte.

Den Götzendienst ausrotten

Er war wohl unter ihnen die interessanteste Gestalt. Sein Name ist Programm: Mein Gott ist Jahwe. Mit Leidenschaft, aber auch mit Gewalttätigkeit, wie sie seiner Zeit entsprach, gab er sich der Aufgabe hin, den Götzendienst auszurotten. So, wie vorher die Propheten Gottes ermordet wurden, tötet er nunmehr die Baalspriester, es ist ein regelrechtes Abschlachten. Im Rausch des Sieges überschreitet er alle Grenzen, die er bisher verteidigt hat. Rachegelüste steuern ihn, er wird blind für das, was ihn eigentlich antreibt, hat keinen inneren Zugang mehr zu dem, was er vertritt, die Lust an der lang ersehnten Stärke und Macht über das Geschehen verstellt ihm den Blick.

Andreas Bode, der Regisseur der Potsdamer Aufführung, entdeckt in der Geschichte des Propheten so manch Heutiges: Widersprüchliches und Sprunghaftes, Siegreiches und Wankelmütiges. „Elias ist eine Figur, die weiß, welche Kraft das Wort, die Verführung, das Werben, auch die eitle Selbstbehauptung hat, dies in Fülle auskostet und durch tiefe Abgründe gehen muss“, sagt Bode.

Durch die Dramatisierung des Stoffes erreichte Mendelssohn, dass sein „Elias“ auf ganz besondere Weise bewegt, die Stimmung der handelnden Personen auf uns übergeht. Den Elias singt und spielt der Bariton Holger Falk, „einer der geistig und stimmlich bewegendsten Sänger auf deutschen Bühnen“, wie das Magazin „Opernwelt“ schreibt. Der Titelrolle stellte der Komponist die Tenor-Figur des Obadjah (Oliver Johnston) gegenüber, als einen Gefährten und Gehilfen. Weitere Rollen sind die der Witwe und des Knaben (Marie-Pierre Roy) sowie der Königin und des Engel (Anna Alàs i Jové).

Mit dem Chor den Nerv der Zeit getroffen

Der Chor spielt hier eine besonders aktive Rolle. Die Sängerinnen und Sänger des Vocalconsort Berlin und der Vocalakademie Potsdam geben dem Volk Israel, den Baalspriestern oder den Seraphim ihre Stimme. Mit Blick auf die erstarkenden Singvereine, die nicht selten Hunderte von Sängern umfassten, traf Mendelssohn damit den Nerv seiner Zeit.

„Wir haben in der Friedenskirche aber eine eher kleine Besetzung“, berichtet der Dirigent der Aufführung, Titus Engel. „Somit konnten wir mit der Kammerakademie mit 40 Musikern und den 27 Sängerinnen und Sängern die Feinheiten der Partitur verdeutlichen, denn die Friedenskirche ist akustisch sowieso nicht für Massen geeignet.“ Der Schweizer Dirigent, der in ganz Europa an Opernhäusern arbeitet und derzeit in Basel Verdis „La Traviata“ dirigiert, möchte die Musik der Romantik nicht nur in den vielen schönen Farben und manchmal erhebender Monumentalität zum Klingen bringen. Er will sie in ihrer ganzen Gebrochenheit und Dramatik zeigen.

Vorstellungen in der Friedenskirche Sanssouci am 25. und 30. November sowie am 1. und 2. Dezember, jeweils um 19 Uhr. Restkarten an der Abendkasse

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