zum Hauptinhalt
Selbst geschaffene Wolkenlandschaft. Birgit Ginkel und Vera Oxfort (r.) bei den Vorbereitungen für die „Open Art Space“ in den Räumen der Alten Brauerei.

©  Andreas Klaer

Kultur: Mondsteine an der Decke

Ab 7. September gibt es in der Alten Brauerei zum zweiten Mal die Ausstellung „Open Art Space“

Birgit Ginkel steht auf der Leiter und klebt Mondsteine an die Decke. Die ist mit einem wolkenartigen Strichgebilde überzogen, das geradezu märchenhaft wirkt in diesem sterilen Gebäude mit dem maroden Charme des Ostens. Zwischen der hellblauen Wolkenlandschaft sind Wortbotschaften zu lesen: Seele, Energie, Freiheit. Seit zwei Monaten werkelt Birgit Ginkel gemeinsam mit der Malerin Vera Oxfort an diesem Himmelreich der Fantasie. Vera Oxfort nimmt dazu den Bleistift in die linke und den in Ölfarbe getränkten Pinsel in die rechte Hand. Beide Körperseiten arbeiten gleichzeitig mit- und gegeneinander. Ist die Farbe getrocknet, darf die Partnerin ihre „Störfelder“ einbringen. Die versprechen allerdings eher eine heilende Wirkung: schließlich sät sie Rosenquarz, Orangencalzit oder Bergkristalle in das Wolkenfeld. Bis zum kommenden Mittwoch, dem 7. September, der Eröffnung von „Open Art Space“ in der Alten  Brauerei am Leipziger Dreieck, soll noch ein kleiner Raum im großen entstehen, auch mit Silber und Edelsteinen besetzt. Den darf man dann als Besucher nur allein betreten, „um sich geborgen zu fühlen wie in Mutter Erdes Schoß“, hofft Birgit Ginkel.

Die beiden in Potsdam lebenden Frauen gehören zu den 25 Künstlern und Künstlergruppen, die das verwaiste ehemalige Sozialgebäude der Brauerei in der Albert-Einstein-Straße mit seinen 23 Räumen nun zum zweiten Mal für vier Tage bespielen. Die Reaktion der rund 500 Besucher auf die erste „Open Art Space“ ermutigte die Projektgruppe um den Berliner Künstler Steffen Blunk weiterzumachen: „noch besser, noch professioneller“, wie er sagt. Mussten die Künstler 2010 eine Teilnahmegebühr von 195 Euro entrichten, ist diesmal alles über Werbung finanziert. Keiner bleibt aus finanziellen Gründen außen vor. Über die Teilnahme entschied diesmal allein die sechsköpfige Jury aus Kunsthistorikern, Künstlern und Galeristen, unter ihnen der Potsdamer Galerist Werner Ruhnke. Die schaute vor allem auf den Experimentalcharakter der 60 eingereichten Projekte. „Das Bewerbungsverfahren war schon sehr anstrengend. Man musste sich im Vorfeld viele Gedanken machen und mit einer detaillierten Beschreibung aufwarten“, so Steffen Blunk, der sich ebenfalls dem kritischen Verfahren stellte. „Ich wollte vermeiden, dass am Ende jemand sagt, das Schlechteste kommt von dem Veranstalter selbst.“

Er sei am Tag der Juryverkündung jedenfalls aufgeregt gewesen wie an dem Tag, als er seine Abiturergebnisse erfuhr. Und das ist mittlerweile über 25 Jahre her, so der Journalist und Philosoph, der erst 2009 sein Studium an der Akademie für Malerei in Berlin begann. Nur wer Kunst studiert oder hauptberuflich Künstler ist und darüber hinaus ein schlüssiges Konzept für die Ausstellung vorlegen konnte, wurde bei „Open Art Space“ zugelassen. Beim ersten Mal waren noch Künstler dabei, die mit dekorativen Werken von Markt zu Markt ziehen und ihre Arbeiten feilbieten.

Steffen Blunk, der sich aggressiv mit Fragen zeitgenössischer Politik und Gesellschaft auseinandersetzt, reagierte im vergangenen Jahr mit seiner Kunst auf die Kriegseinsätze deutscher Soldaten im Ausland und schleppte für seine Installation 500 Kilogramm Sand in die Ausstellung. „Hier kann man Sachen ausprobieren, die man im Atelier nicht machen würde.“ Diesmal lädt er im Innenhof der stillgelegten Brauerei in „Unser Haus“ ein. Ob es tatsächlich jemand betreten wird, darf bezweifelt werden. Denn es ist aus Stacheldraht gebaut. Im Inneren befindet sich ein Behörden-Schreibtisch und davor ein Stuhl, dessen Sitzfläche ebenfalls mit Stacheldraht bezogen ist. „Für die Antragsteller“, so der Künstler. Er nimmt damit die zunehmende Abschottung Europas gegenüber Fremden aufs Korn, „den so freundlichen netten Kontinent, der zulässt, dass Menschen im Mittelmeer absaufen“. Für ihn soll Kunst provozieren und auch weh tun. Stand er im vergangenen Jahr mit seinen politischen Botschaften noch ziemlich allein da, gibt es jetzt Geistesverwandte. Den Aspekt der Abstumpfung hinterfragt eine Gruppe, die an der Mediadesign-Hochschule Berlin studiert und unter dem Titel „Home Sweet Home“ den Besucher einlädt, es sich auf einem bequemen Sofa gemütlich zu machen. Er kann dann in einer Videoarbeit an sich selbst erfahren, „wie die Informationsüberflutung die eigene Protesthaltung unterminiert.“ So ist es jedenfalls im Katalog zu lesen.

Es gibt aber auch „Tat.Orte und Verbrannte Erde“, die als Metapher für die dunkle destruktive Seite des Menschen stehen, so in der Arbeit von Ursula Antesberger aus Zürich. Interessant dürfte die Malerei von Florian Pelke und Matthias Reinmuth aus Berlin sein, beide Meisterschüler von Georg Baselitz. Ihre Bilder stehen sich korrespondierend direkt gegenüber.

„Open Art Space“ ist von 7. bis 11. September in der Alten Brauerei Potsdam, Albert-Einstein-Straße 1-9 zu sehen. Die Vernissage ist am 7. September um 19 Uhr. Weitere Informationen unter www.open-art-space.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false