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Süßer Trost. Colombina (Jana Reiner) singt vom Schlaraffenland.

© A. Klaer

Kultur: Mit Schlitzohr und Emanze

Barocker Theatersommer spielt Commedia dell’Arte im Schlosstheater und in der Orangerie

Das Stück des diesjährigen Theatersommers müsste man eigentlich zweimal sehen, sagt Christine Jaschinsky, künstlerische Leiterin des Ensembles „I Confidenti“. Denn das Stück „I casi della fame e dell’amore“, zu deutsch „Hunger und Liebe“, wird im Mai im Schlosstheater im Neuen Palais aufgeführt. Doch nach Beginn der umfassenden Sanierungsarbeiten im Schloss findet der zweite Vorstellungsblock im August und September in der westlichen Halle der Orangerie statt. Die selbe Inszenierung ist somit einerseits in einem vom friderizianischen Rokoko geprägten historischem Theaterbau zu erleben, andererseits in der zum Veranstaltungsort umgestalteten lichtdurchfluteten Pflanzenhalle im Stil der italienischen Renaissance.

Auch wenn Jaschinsky dem Zwangsauszug des Ensembles aus dem Schloss nach zwölf Jahren wehmütig entgegenblickt: Der Umzug mitten in der Spielzeit entspricht der gängigen Aufführungspraxis der Commedia dell’Arte, als seit Mitte des 16. Jahrhunderts die ersten professionellen Theatergruppen umherreisten und ihre Stücke auf dem Land und an den Höfen spielten. Auch die italienische Barockoper „Hunger und Liebe“, eine Farce der Commedia Dell’Arte, entspringt dieser Tradition. In der Bearbeitung von Allessandro Marchetti wird das Stück erstmals auf Deutsch aufgeführt. Regie führt der Schweizer David Matthäus Zurbuchen, drei Musiker und vier Schauspieler bestreiten das Geschehen.

Es sind dabei immer dieselben Charaktere, deren Verwicklungen vorzugsweise in Sachen Liebe thematisiert werden: Aus dem Volk sind es die Diener Arlechino, immer etwas einfältig, doch grundehrlich, und Brighella, schon etwas gerissener, ein Schlitzohr, immer auf seinen Vorteil bedacht. Als Gegenpart Pantalone, Kaufmann aus Venedig, ein alter, stets kränklicher Geizkragen, und der gebildete Dottore. Fehlt noch eine Frau: Colombina, die erste emanzipierte Frauengestalt im europäischen Theater, wie Regisseur Zurbuchen meint.

Im gegenwärtigen Stück des Ensembles „I Confidenti“ geht es um zwei seit Tagen hungernde Diener, die Pantalones Dienerin Colombina beschwatzen, ihnen zu helfen. Einem verschafft sie daraufhin eine Anstellung, der andere soll in die Rolle der von Pantalone Angebeteten schlüpfen, die im Haus bereits erwartet wird. Und das geht natürlich schief. Und natürlich gibt es am Ende auch ein Happy End.

Verwechslung und Slapstick, bunte Kostüme und Masken, Musik und Tanz – das sind die Bausteine der Aufführungspraxis der Commedia dell’Arte. Das Volkstheater thematisiert in dem Stück soziale Aspekte, elementare Bedürfnisse wie Essen und Liebe – nicht immer war das auf den großen Bühnen möglich oder gewollt, sagt Zurbuchen. Auch die musikalischen Parts sind eher volkstümlich: Christine Trinks spielt Barockvioline, Daniel Kurz Barockgitarre und Thoerbe, Christian Walter Drehleier, Blockflöten und Fagott. Auf der Bühne sitzend werden die Musiker teilweise in das Geschehen einbezogen. Da es kaum Aufzeichnungen von der Originalmusik der Commedia dell’Arte gibt, müsse, was die Stückauswahl betrifft, improvisiert und mit Stücken aus der Zeit ergänzt werden. So erklingt Zeitgenössisches aus Spanien, Musik von Monteverdi, aber auch das deutsche Lied vom Schlaraffenland, das Colombina, die Sopranistin Jana Reiner, den schlafenden und vom Essen träumenden Dienern vorsingt.

Dieses Jahr sei aufgrund der schwierigen Akustik in der Orangerie das Stück jedoch mehr auf Schauspiel ausgerichtet. Bis zur nächsten Spielzeit im Mai 2014 wolle man mit dem Bau einer Bühne die Akustik für Musikaufführungen in der Orangerie verbessern, sagte Christine Jaschinsky. Steffi Pyanoe

„Hunger und Liebe“ vom Ensemble I Confidenti im Schlosstheater im Neuen Palais. Premiere am 18. Mai um 19 Uhr. Auch am 19., 20., 25. und 26. Mai. Tickethotline 01805-28 82 44, Info: www.i-confidenti.de

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