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Kultur: Mit prima Pauke

Die Musiker der Potsdamer Orchesterwoche begeisterten in der Inselkirche Hermannswerder

Mit einem ebenso prägnanten wie provokanten Satz begrüßte Pfarrer Johannes Lehnert das Orchester und die Zuhörer am Freitag zum Konzert der Potsdamer Orchesterwoche in der Inselkirche Hermannswerder. „Tradition ist gar nichts“, hieße es bei Kurt Tucholsky, „Man kann 40 Jahre auch immer etwas falsch machen.“ Aber man könne wohl auch etwas richtig machen, wie sich am Beispiel der Orchesterwoche zeige, die jetzt zum 42. Mal stattfand.

Rund 70 Laienmusiker ließen sich auch in diesem Jahr nicht von dem straffen Probenplan abschrecken. Täglich würden rund achteinhalb Stunden geübt, wie die Fagottistin Silke Polata erklärte. Das Ergebnis konnte sich hören lassen. Franz Schuberts sinfonische Ouvertüre „Die Zauberharfe“, die lange auch dem Singspiel Rosamunde zugeordnet wurde, gehört heute zum Konzertrepertoire. Hier zeigt sich bereits der ganze Schubert, der wie keiner zuvor gesangliche Melodien in die sinfonische Musik integrierte. Indessen intonieren die Violinen zu Beginn noch etwas zaghaft, während die Blechbläser schon kräftig und die Holzbläser gesanglich ertönen. Für präzise Akzente sorgt die prima Pauke. Erstaunlicherweise kommt das Stück trotz des Titels ganz ohne eine Harfe aus.

Die steht zwar schon auf dem Podium, erklingt aber erst in Anton Weberns Bearbeitung von Johann Sebastian Bachs Ricercar aus dem „Musikalischen Opfer“, das wie kein zweites Stück aus der Feder des Leipziger Thomaskantors mit Potsdam verbunden ist. Bei seinem Besuch in Sanssouci spielte und improvisierte der nun schon ältere Bach mit und vor Friedrich II. Nachdem er aus dem Stand eine dreistimmige Fuge entwickelt hatte, forderte der König ein sechsstimmiges Werk. Da musste der gute Bach passen, lieferte aber wenige Wochen später das gewünschte Stück als Teil des „Musikalischen Opfers“ nach Potsdam. Angeblich stammt das Thema regium sogar von Friedrich II. persönlich. Was durchaus stimmen könnte, denn es ist eine recht trockene, wenig melodische Tonfolge. Doch in die Orchesterversion von Anton Webern fügt sich das Thema erstaunlich gut ein. In kleinste Partikel zerlegt, von verschiedenen Instrumenten nacheinander intoniert, wandert es durch lichte chromatische Nebelwolken. Posaune, gestopfte Trompete, Bassklarinette, Englisch-Horn, Solovioline und viele andere setzen markante Tupfer in einem vielfarbigen Teppich aus Tönen.

Als Nagelprobe der Tradition erweist sich die dritte Sinfonie von Max Bruch, ein heute praktisch nicht mehr im Konzertsaal zu hörendes Werk. Der Komponist verteidigte sein romantisches Konzept stets gegen musikalische Neuerungen. So könnte man seine dritte Sinfonie durchaus als perfektes Spiegelbild wilhelminischer Restaurationskunst bezeichnen, wenn auch Max Bruch selber sie als „Ausdruck echt rheinischer Lebenslust und Freudigkeit“ ansah. Die vier Sätze malen Bilder ungetrübter Heiterkeit, mal in kleinerem Format, dann als bombastisches Tongemälde voller Jubelgesang wie im ausladenden zweiten Satz. Kurios der dritte Satz mit einem tanzenden Harlekin-Fagott, lustigen Zupfereien der Streicher und buntscheckigen Klängen. Mit viel Tschingderassa, Fanfarenappellen und Streichertremolo beginnt der vierte Satz, bevor die Siegesstimmung dann in watteweiche, melodische Gefilde heruntergefahren wird.

Den Musikern der Potsdamer Orchesterwoche gelang unter der Leitung von Matthias Salge eine höchst respektable, klangvolle Aufführung. Nicht zuletzt zeigte sie, was die Schatztruhe der Vergangenheit für unterschiedliche Anlässe bieten kann. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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