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Kultur: Mit Herz und Verstand

Geburtstagsfeier und Ausstellung des DEFA-Regisseurs Günter Reisch im Filmmuseum

Kurz bevor der große Trubel beginnt, sitzt der schmächtige Regisseur in einer ruhigen Ecke und versucht sich zu konzentrieren. Denn er hat sein Redemanuskript zu Hause vergessen und macht sich jetzt wenigstens ein paar neue Notizen. Doch die wird er gar nicht brauchen, denn auf der Feier anlässlich seines 80. Geburtstages am Mittwochabend im Filmmuseum werden die passenden Worte aus Günter Reisch immer wieder von selbst förmlich heraussprudeln.

Das liegt nicht nur daran, dass die zahlreichen Gratulanten, unter ihnen der langjährige Freund und 97-jährige Kurt Maetzig, die von Reisch entdeckte Schauspielerin Jutta Wachowiak oder einer seiner jüngsten Schüler, der Absolvent der Bauhaus-Universität Weimar, Wolfgang Bauer, ihm immer wieder die Stichworte liefern, sondern weil Günter Reisch mehr als vier Jahrzehnte DEFA intensiv miterlebt und gestaltet hat. Davon zeugen nicht nur seine über zwanzig Filme, die er, beginnend 1948 als Regieassistent, von den DEFA-Pionieren Gerhard Lamprecht und Kurt Maetzig und ab 1955 unter eigener Regie produziert hat.

Günter Reisch ist zudem von Anbeginn seiner künstlerischen Tätigkeit ein großer Sammler und Bewahrer. Eigentlich schon von Kindesbeinen an, als er sich nach dem frühen Tod seines Vaters, eines Berliner Bäckermeisters, intensiv mit dessen nachgelassener Plattenkamera beschäftigte, und, damals sechsjährig, glaubte, „man könne das Leben festhalten“. Obwohl sich das bald als Irrglauben erweist, hat er doch seitdem ungezählte Momente seines langen Lebens immer wieder in Bildern eingefangen. Über 20 000 Kleinbildnegative, Tausende von Dias und zig 8mm-Filme hat der energiegeladene Jubilar in den vergangenen drei Monaten gesichtet, um sie am Mittwoch in der von ihm selbst zusammengestellten und gestalteten Ausstellung „Weggenossen“ einem breiten Publikum zu präsentieren.

Auf wenigen Metern der Galerie im Obergeschoss des Foyers des Filmmuseums kann der Besucher jetzt in diese imposante Zusammenstellung eindrucksvoller und aussagekräftiger Zeitdokumente eintauchen. Dort findet sich nicht nur das eigene Reifezeugnis von 1947, in dem der Berufswunsch Regisseur bereits deutlich formuliert ist, sondern nahezu alle Etappen seines erfolgreichen Berufsweges sind dicht gedrängt in Wort und Bild festgehalten. Dabei geht es dem zurückhaltenden Reisch nicht darum, selbst im Mittelpunkt zu stehen, sondern vor allem seinen zahlreichen Weggenossen – auf diese Formulierung legt er großen Wert – ein angemessenes Denkmal zu setzen. So kann man diese Exposition nahezu als Who is Who ostdeutscher Filmgeschichte betrachten.

Mit Herz und Verstand, nicht nach modernen museumspädagogischen Erkenntnissen, hat der Regisseur die zahlreichen Fotos, Texte, Programmzettel und Szenenbildentwürfe zusammengestellt und es wird an anderen sein, diese wissenschaftlich zu erschließen und aufzubereiten. Denn Günter Reisch, der auf seiner Geburtstagsfeier auch die ersten 70 Seiten des Findbuches übergab, überlässt seine riesige Sammlung dem Potsdamer Filmmuseum. Dessen Direktorin Bärbel Dalichow, die den Jubilar als „neugierig, wissensdurstig, unglaublich treu und jungen Menschen zugewandt“ charakterisierte, freut sich schon jetzt darauf, „dass alles wieder zusammen kommt“, denn Reischs Sammlung ist eine hervorragende Fundgrube über nahezu die gesamte DEFA-Geschichte.

Fast an deren Ende drehte Reisch 1986 seinen letzten Film „Wie die Alten sungen“, der genauso wie der 1980er Grand-Prix-Gewinner des Festivals von Karlovy Vary „Die Verlobte“ am Mittwoch noch einmal zur Aufführung kam. Nach der Auflösung der DEFA ließ sich Reisch nicht aufs Altenteil schicken. Bis heute hatte er immer wieder Lehraufträge und Gastprofessuren an verschiedenen Hochschulen für Film und Fernsehen inne. Stellvertretend für seine Studenten aus Weimar sang der 31-jährige Wolfgang Bauer sein ganz persönliches Loblied auf den begeisterungsfähigen „MoSo“(Montag- bis Sonntag)-Professor und Schauspielerin Jutta Wachowiak berührte den gesamten Kinosaal mit ihrer gesprochenen und gesungenen Laudatio. Astrid Priebs-Tröger

Ausstellung „Weggenossen“ bis Mitte Januar 2008.

Astrid Priebs-Tröger

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