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Kultur: Mit Haut und Haaren eingetaucht

„Ad acta?“ – die neue Produktion des Theaterjugendclubs bewegt sich auf den Spuren Hans Ottos

Sie sind blutjung, absolvieren das Gymnasium oder ein Freiwilliges Soziales Jahr. In ihrer Freizeit spielen sie Theater. Demnächst wollen sie Mediengestalterin werden oder Schauspielerin. Eben ganz durchschnittliche Jugendliche von heute. Oder etwa doch nicht?

Vor fünf Monaten haben sich Romy, Helene und Zenzi, und mit ihnen elf weitere Mitspieler des Theaterjugendclubs, auf die Spuren von Hans Otto begeben, sind eingetaucht in ein fremdes Leben, das nur 33 Jahre dauerte. Das jedoch bis zu seinem Ende fast unheimlich intensiv war: Voller Freude und großer Strapazen, glänzender Erfolge als Schauspieler und einschneidender Entscheidungen als politisch denkender und handelnder Mensch. Hans Otto: Schauspieler, Kommunist, von der SA ermordet, Namensgeber des hiesigen Theaters. In der ehemaligen DDR wurden auch Straßen und Schulen nach ihm benannt.

Doch wie war der Mensch Hans Otto? Die nüchternen Fakten kannten sie bereits am Anfang ihrer immer spannender werdenden Recherchen, die sie in das Berliner Archiv der Akademie der Künste, nach Dresden zum Kulturverein „Kleine Freiheit“ und zu der noch lebenden Nichte Gisela Axnick führten. Mit vor Begeisterung geröteten Gesichtern erzählen sie kurz vor ihrer Hauptprobe am gestrigen Mittwoch davon.

Der 19-jährigen Zenzi ist dabei vieles klar geworden, was auch mit ihrem eigenen Leben zu tun hat. Beispielsweise, als sie den Verfasser eines Internetartikels über Hans Otto konterkarierte, um von ihm zu erfahren, warum er dessen Tod so merkwürdig neutral als „Fenstersturz“ bezeichnete.

Oder Janine, die einen handgeschriebenen Brief des Schauspielers „heimlich“ einem Schriftanalysten vorlegte und gar nicht so überrascht war, als dieser darin auch Dickköpfigkeit und Starrsinn entdeckte. Eigenschaften, die Hans Otto brauchte, um gegen den Willen und völlig ohne materielle Unterstützung seines strengen Vaters den Schauspielerberuf zu ergreifen, was allen größten Respekt abnötigte.

Gleichzeitig stellte sich ihnen auch die Frage, ob man nicht, ehe man sein Leben einer Idee verschreibt, zuerst Verantwortung für sich und seine engste Familie übernehmen muss. Noch nachhaltiger und sehr viel berührender als jedes Aktenstudium, bei dem sie original Personalakten, Theaterschriftverkehr und viele persönliche Briefe in den eigenen Händen hielten, war die Begegnung mit Zeitzeugen.

Die 75-jährige Nichte Hans Ottos, die erst 1930 geboren wurde, jedoch ihr ganzes Leben spürte, dass es in ihrer Familie viel Unausgesprochenes und Schweres im Zusammenhang mit ihrem Onkel gab, war sehr froh, als sie mit den jungen Leuten über ihn reden konnte. Alle Gesprächspartner hatten dabei das Gefühl, zum richtigen Zeitpunkt zusammen getroffen zu sein und sich wirklich gegenseitig etwas gegeben zu haben. Diese Erlebnisse, Erkenntnisse und Erfahrungen sind in das, von den Teilnehmern selbst verfasste Theaterstück „Ad acta?“ eingeflossen.

Man darf gespannt sein, wie diese spielerisch umgesetzt werden. Alle Mitspieler und die Theaterpädagoginnen Manuela Gerlach und Kerstin Gnielka, die die Spielleitung hatten, wünschen sich, dass möglichst viele, und nicht nur junge, Theaterbesucher ihre Inszenierung, die sowohl aus fiktiven als auch dokumentarischen Passagen besteht, sehen. Und genau so wie sie selbst in das berührende und exemplarische Leben Hans Ottos eintauchen.

Premiere ist am morgigen Freitag, auf der Bühne in der Zimmerstraße. Dazu passend wird eine Ausstellung über den leidenschaftlichen Schauspieler, über den Bertolt Brecht schrieb, „dass er ein Mann seltener Art und unkäuflich sei“, gezeigt.

Astrid Priebs-Tröger

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