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Kultur: Mit Geduld und Liebe

Für unsere Sommerserie besuchen wir POTSDAMS GÄRTEN und Parks. Renate und Werner Lüscher sind ein Leben lang mit dem Gärtnern beschäftigt – beruflich und im Ruhestand

Jedes Haus bekam einen eigenen Garten. Dort konnte der Bewohner Obst und Gemüse anbauen und ernten nach seinem Gutdünken. Das verbesserte für viele Menschen in den dürren Zeiten der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, die gar nicht so golden waren, die Lebensqualität. Die Siedlung Eigenheim mit 273 Parzellen entstand ab 1922 am Rand der Ravensberge in der Teltower Vorstadt, initiiert vom Bund Deutscher Bodenreformer. Sicherlich werden Bewohner der Wohnsiedlung auch heute noch Radieschen, Bohnen oder Erdbeeren aus ihren Gärten in die Küche holen. Geht man aber durch die Siedlung spazieren, entdeckt man in vielen Vorgärten teilweise bunte Blumenquartiere. Aus den reinen Nutzgärten wurden zumeist Ziergärten. Manche bevorzugen hinter ihrem Haus eine große Rasenfläche, an deren Rand Stauden gepflanzt oder Blumensamen in die Erde gestreut werden.

Bei Renate und Werner Lüscher spürt man schon im Vorgarten, dass sich hinter ihrem Haus ein grünes Refugium befindet, das hohe Ansprüche an eine besondere Gestaltung stellt. Vor dem erst Mitte der neunziger Jahre von dem vorherigen Besitzer erbauten Gebäude im Landhausstil ist die Bepflanzung in der Farbigkeit zurückhaltend. Blühende Hortensien, wie sie derzeit in vielen Gärten zu finden sind, geben den Ton an. Doch die schwungvolle Wegführung weist hinter das Wohnhaus. Dort kann man eine Gartenanlage in Augenschein nehmen, die durch Formen und Farben überrascht. „Ja, wir haben versucht, die Pflanzen nach der farblichen Ästhetik zu ordnen. Doch man muss auch ihre Bedürfnisse berücksichtigen“, erklärt Werner Lüscher gleich zu Beginn des Spaziergangs.

Mehrere Ruheplätze findet man im Garten. Von jeder Bank aus hat man einen anderen Blick auf die verschiedenen Räume des Areals. Renate und Werner Lüscher laden uns ein, dort Platz zu nehmen, wo sie meinen, die eindrucksvollste Sicht zu haben. Über einen kleinen Teich hinweg, der eingerahmt wird von Hortensien, Schmackeduzien, Sträuchern und Bäumen, unter anderen von einem Ahorn mit seinen feuerroten Blättern, und einer Pflanzeninsel inmitten auf dem Rasen mit den gold-gelb leuchtenden Blüten der Gewürzrinde, einer Pflanze, deren Heimat am Kilimandscharo ist, schaut man auf ein blaues Gartenhaus. Es ist als Ort zum Feiern und zum Wohnen bei der Familie und Gästen sehr beliebt. Wer denkt, dahinter ist Lüschers Gartenwelt zu Ende, der irrt. Hinter dem blauen Haus findet hat sich auch bei Lüschers die Siedlungs-Tradition erhalten. Tomaten, Kartoffeln oder Kräuter warten auf die erntende Hand. Auch der Komposthaufen wurde dort angelegt. „Die Nährstoffzufuhr für unsere Pflanzen erfolgt ausschließlich über Kompost, in Ausnahmefällen wird Mineraldünger verwendet“, berichtet der Gärtner.

Es ist nicht schwer, mit den Gastgebern ins Gespräch zu kommen. Sie haben gern Gartenbesuch. Darum sind sie auch in diesem Jahr wieder an der beliebten Urania-Aktion „Offene Gärten“ am Sonntag, dem 17. September, dabei. Das Gärtnern liegt Renate und Werner Lüscher im Blut. Sie haben es auch von Berufs wegen ausgeführt. In den sechziger Jahren absolvierten sie beim Bornimer VEB Staudenkulturen, dem einstigen Betrieb von Karl Foerster, die Gärtnerlehre. „Besonders der professionelle Umgang mit Stauden wurde uns dort sehr vertraut“, erzählt Werner Lüscher. Renate und Werner näherten sich ebenfalls einander an, bekannten ihre Liebe zueinander. Die in Elternhäusern mit verschiedenen Weltanschauungen Aufgewachsenen heirateten. Der große Respekt vor der Schöpfung gab ihnen den Impuls, noch tiefer in die Gärtnerei einzusteigen. Während Renate Lüscher sich dem Studium des Obstbaus in Erfurt widmete, studierte ihr Mann Landschaftsbau, ebenfalls in der thüringischen Stadt.

Nach dem Examen ging es nach Potsdam zurück. Er erhielt eine Stelle beim VEB Grünanlagen, sie wurde Mitarbeiterin in der Friedhofsverwaltung. Nach der politischen Wende 1989 machte sich Werner Lüscher selbstständig. Er gründete 1991 die Stadtgrün Potsdam GmbH mit rund 30 Mitarbeitern. Die Neugestaltung und Pflege von städtischen Flächen wie die am Hans Otto Theater am Tiefen See oder am Stadtkanal haben eindrucksvollen Spuren im Stadtbild Potsdams hinterlassen. Mit dem Eintritt in den Ruhestand 2010 gab er den Betrieb in andere Hände. Nun konnten er und seine Frau sich ganz und gar der Gartenleidenschaft auch privat widmen. Zwar bewirtschafteten sie schon ein Areal in einer Kleingartensparte, aber dort gab es Verordnungen, die sie in der Freiheit von Gestaltungsvorstellungen beeinträchtigten. Sie schauten sich nach einem Grundstück um. 2011 erwarben die Lüschers Haus und Garten in der Siedlung Eigenheim.

„Wer einen Garten anlegt, trifft eine eindeutige Entscheidung. Er entsteht natürlich nicht über Nacht. Man benötigt viel Geduld und Liebe“, sagt Renate Lüscher. Dass sie das haben, beweist ihr Garten und das Blühen darin. Dies ist auch im Spätsommer und während des beginnenden Herbstes nicht ereignislos. Phlox erhebt sich aus den Staudenbeeten, ebenso der Sonnenhut. Zinnien und Astern leiten über zum großen Herbstfinale, das bevorsteht. Dazwischen stehen Skulpturen aus verschiedenen Materialien. Darunter ein qualitätsvoller Trauernder Putto. Aber eigentlich hat er es nicht nötig, hier traurig zu sein. Denn der Garten von Renate und Werner Lüscher strahlt Lebensfreude aus.

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