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Kultur: Mit feiner Zeichnung

Nahezu unbemerkt hat die Wahlpotsdamerin Gosha Nagashima einen Treffpunkt für internationale Kunstliebhaber geschaffen

Die Natur und die Schönheit Potsdams haben Gosha Nagashima überzeugt. Eigentlich hatte die kosmopolitische Künstlerin vor, von Hamburg nach Berlin zu ziehen. Als sie sich im Jahre 2007 in Berlin aber nach einer Wohnung umsah, sah sie die Hektik der Stadt, den lauten Verkehr, die drängelnden Menschen auf den Straßen. „Ich habe dort keinen stillen Platz gefunden“, sagt Gosha Nagashima. Daher eröffnete sie ihr Studio in der Potsdamer Dortustraße. Die Straße ist zwar auch nicht gerade eine Oase der Ruhe, sondern mitten im historischen Kern und den touristisch attraktiven Teilen Potsdams gelegen. Aber der Hinterhof mit Parkplatz, in dem sich ihr Studio befindet, bietet Ruhe und auch einen Blick auf den grünen Rasen. Die Künstlerin kann heraustreten und hat ihre Studienobjekte unmittelbar vor Augen: Blumen, Bäume, den Garten.

All das zeichnet sie. Aber: „Nein, die Notizbücher verkaufe ich nicht“, sagt sie im Gespräch kategorisch. Das sei zu persönlich. Die detaillierten Zeichnungen von Pflanzen, Blüten, Straßen die Nagashima als Skizzen in ihren Notizbüchern festhält, faszinieren. „Oft sitze ich eine ganze Nacht und zeichne und schreibe“, erklärt sie ihren Arbeitsfluss. Sie ergänzt die Zeichnungen um mit Bleistift beigefügte Gedichte und Gedanken. So entstehen sensible, sorgsam gefertigte Bild- und Gedankenskizzen.

Die Weise, in der sie ihre Kunst fertige, sei ein Luxus in der heutigen Arbeitswelt, so Nagashima. „Ich lasse mir Zeit. Da ist kein Limit, wenn ich am Malen oder am Zeichnen bin, konzentriere ich mich ganz auf die Sache und arbeite, bis ich das Gefühl habe, dass es stimmt“, sagt die Künstlerin. Es entstehen Skizzen, Ölbilder, Plakate und auch Glas- und Porzellanarbeiten. Denn die Tochter eines indischen Sitarspielers und einer polnischen Regisseurin hat an der Joshibi University of Art and Design nicht nur Malerei studiert, sondern sich auch mit kunsthandwerklichen Techniken intensiv auseinandergesetzt. „Das ganze Spektrum der Künste wurde an der Universität angeboten und ich habe mich für alles interessiert“, erinnert sie sich. Bei einer einjährigen Reise als 19-jährige Studentin durch Künstlerstudios in Japan habe sie sich viele verschiedene künstlerische Arbeitsweisen und Stile angeschaut. „In dem Alter muss man vor allem viel schauen und lernen“, sagt sie. Die Stunden im Glasatelier der Hochschule hatten ihr Interesse an Glas- und Porzellanarbeiten geweckt. So entwickelte sie einen ganz eigenen Stil, eigene Glasfarben, Glasuren, Muster, mit denen sie ihre Gefäße, Tassen und Teller verziert, die sie heute auch in Potsdam herstellt. Sie brennt das Porzellan im eigenen Ofen, verfügt über ein breites Spektrum an selbstgefertigten Pigmenten und Glasuren.

Das genaue Schauen blieb die Grundlage ihrer Arbeit und die Basis für ihre fein ziselierten Verzierungen. „Auch die Pflanze hat ein Rückgrat. Das muss man erkennen und sehen, wie sich die Pflanze ausrichtet, dann kann man sie verstehen. Genauso ist es beim Menschen. Erst, wenn man verstanden hat, was der Figur Stabilität verleiht, kann man sie plausibel zeichnen“, sagt Nagashima.

Zusammen mit ihrem Mann, der für die japanische Regierung arbeitete, kam die Künstlerin 1989 nach Hamburg. Ihr Sohn, der in Deutschland geboren wurde, ist mittlerweile erwachsen, er arbeitet als Flugbegleiter und Künstler. „Er sieht die Welt von oben und denkt genauso international wie ich“, sagt sie. Die Zeichnungen, das sensible Glas lassen nicht vermuten, dass es auch eine ganz andere Seite von Nagashima gibt, die sie in Hamburg gelebt hat: „Ich war ein Soft-Punk und ging gerne zu Konzerten. Der Musiker Nick Cave, der Filmemacher Peter Sempel, mit denen habe ich damals gefeiert“. Auch der japanische Butoh-Tänzer Kazuo Ono gehörte zu ihren Freunden. Die Liebe zur Musik und Poesie ist geblieben. In ihrem Studio veranstaltet sie regelmäßig Konzerte und Lesungen, zu denen sie international renommierte Künstler und Poeten einlädt. Doch die Veranstaltungen werden vom Potsdamer Kulturpublikum leider nicht so recht wahrgenommen, wie Nagashima anmerkt. Gäste und Sammler aus Hamburg und der ganzen Welt allerdings schauten vorbei. Es folgten zahlreiche internationale Ausstellungen. Die Begeisterung und die Neugier, mit der sie als Studentin Japan bereist hatte, blieb. Aber ihr Studiengebiet ist größer geworden. Es gilt der ganzen Welt, dem Zusammenleben der Menschen. „Menschenrechte, die Achtung der Menschen füreinander, sich zu verstehen und aufeinander einzugehen, das ist mir wichtig“. Mit Konzerten und Lesungen in ihrem Studio versuche sie, die Menschen zusammenzubringen und das Verständnis füreinander zu wecken.

Ihr Wissen um künstlerische Techniken und ihren Einblick in internationale Kunststrukturen vermittelt Nagashima auch in Workshops und im Unterricht in ihrem Studio. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich so im Herzen Potsdams ein Treffpunkt für international gesinnte Kunstliebhaber etabliert.

Richard Rabensaat

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