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Jean-Yves Thibaudet

© KASSKARA-Decca

Kultur: Mit den Fingern singen

Liszt-Hommage mit Jean-Yves Thibaudet

„Was ist eigentlich Ihr richtiger Beruf, wenn Sie mal nicht Klavier spielen?“ Oh, shocking. Diese ignorante Aussage einer reichen Amerikanerin nach einem Konzert möchte er nie wieder hören. Zu Recht, denn wer wie Jean-Yves Thibaudet in sich ruht, von seinem Können überzeugt ist, im Alter von fünf Jahren den großen Pianisten Arthur Rubinstein trifft und danach den unerschütterlichen Wunsch verspürt, selbst Pianist zu werden und ihn sich erfüllt, der darf stolz auf sich sein. Längst gilt Thibaudet als „eines der faszinierendsten Talente unserer Zeit“, der durch seine ausdrucksstarken Phrasierungen, seine üppigen Klangfarben und seine brillante Technik besticht. „Eleganz“ dürfte dabei das Markenzeichen sein, mit dem sich sein Spiel beschreiben lässt. Übrigens: seine Konzertbekleidung hat die berühmte Modedesignerin Vivienne Westwood entworfen.

Auch er ist ein Meister der Differenzierung und will ein Sänger sein, wenn auch ohne Worte. „Ich bin jeden Tag dankbar, mit diesen Händen geboren worden zu sein, sodass ich mit meinen Fingern singen kann.“ Kein Wunder, das er deshalb Bearbeitungen von Opernarien für Klavier besonders mag. Wohl nicht nur deshalb hat er ein besonders inniges Verhältnis zu Franz Liszt und dessen diesbezüglichen Paraphrasen. Einer werden wir übrigens bei seinem Nikolaisaal-Auftritt lauschen können. Doch der glühende Opernfan wurde auch selbst opernaktiv, debütierte als Partner von Placido Domingo und Mirella Freni mit einer Nebenrolle als Pianist und Spion Boleslao Lasinski in Giordanos Oper „Fedora“ an der New Yorker Metropolitan Opera. Übrigens ganz im Sinne seiner inneren Einstellung, dass vielen Musikern etwas entgehe, wenn sie, sozusagen als „Fachidioten“, in einem zu engen Einflussbereich lebten: „Wie kann man Klavier spielen, ohne um dieser Sache willen Opern zu verstehen – oder Malerei, Bildende Kunst oder Literatur?“ Er lebt sein Credo, erweist sich als Musiker, der in allen Sparten von Klassik bis Jazz und Pop zu Hause ist. Und will „ dazu beitragen, die Menschen ein wenig von den Problemen der Welt abzulenken und dabei selbst stets viel Spaß zu haben“, so ein weiteres Bekenntnis, das in der Erkenntnis gipfelt, dass Musik wie eine Religion sei und wenn man musiziere, „ist es, als wäre man mit ihr verheiratet“. Daran denkt er, der 1961 in ein deutsch-französischen Elternhaus geboren wird, beizeiten. Erstem Klavierunterricht durch die Mutter folgt der Besuch des Lyoner Konservatoriums, das er mit dem Gewinn der Goldmedaille beendet. Es folgen Studium in Paris, Teilnahme an internationalen Klavierwettbewerben und der Start in die Weltkarriere, als er für Arturo Benedetti Michelangeli kurzfristig einspringt. Der Pianistenolymp steht ihm endgültig offen, als er das Ravelsche uvre für Soloklavier eingespielt hat. Doch der Genussmensch und Freigeist Thibaudet liebt neben der Musik Wassersport, elegante Garderobe, besucht Museen und erfreut sich an guten Gesprächen. Sein richtiger Beruf ist, genaaau, Pianist! Peter Buske

25. November, 20 Uhr, Großer Saal: Stars international

Peter Buske

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