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Mit Fantasie fürs kleine Publikum. Rund 20 Spielfilme hat Rolf Losansky im Laufe seiner Karriere gedreht, die meisten davon waren Kinderfilme, die er für die Defa inszenierte. Dafür erhielt er zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen.

© Manfred Thomas

Kultur: Mit den Augen der Kinder

Der Regisseur Rolf Losansky ist am Donnerstag im Alter von 85 Jahren in Potsdam verstorben

Ein Verrückter sei er, hat Rolf Losansky einmal gesagt. Schließlich habe er sich dem Kinderfilm verschrieben, ein Genre, das die Filmbranche stets vernachlässigt. Aber Rolf Losansky, der Verrückte, konnte nicht anders: Er sah die Welt mit den Augen der Kinder. Und die Kinder werden sie auch künftig noch mit seinen Augen sehen.

Rolf Losansky war der bekannteste Kinderfilmregisseur der Defa. „Moritz in der Litfaßsäule“, „Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen“, „Das Schulgespenst“ und „Der Schneemann aus Afrika“ – die Liste der Filme ist lang, die zu Klassikern der Kindheit wurden für all jene, die in der DDR aufwuchsen. Rund 20 Filme drehte er bis zur Wende.

Losansky wurde 1931 in Frankfurt an der Oder geboren. Im Krieg verlor er den Vater und dessen vier Brüder, im Ersten Weltkrieg bereits den Großvater. Das Martialische und Uniformierte waren ihm auch deswegen stets ein Gräuel, das Friedfertige erstrebenswert. Nach dem Krieg kann er sich zunächst nicht entscheiden, er absolviert eine Buchdruckerlehre, studiert später einige Semester Medizin. Erst der Film lässt ihn Feuer fangen: Er studiert Regie an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Babelsberg und assistiert 1962 Frank Beyer bei dessen Film „Königskinder“. Sein eigenes Debüt folgt ein Jahr später: „Geheimnis der 17“ – das Genre des Kinderfilms hat es ihm da bereits angetan. Erstmals erfolgreich wird Losansky aber 1964 mit „Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen“ nach dem Kinderbuch von Franz Fühmann. Ähnlich wie in Kästners „Emil und die Detektive“ machen sich darin Kinder auf die Suche nach einem Dieb, dessen sie zu guter Letzt habhaft werden und ihn der Straftat überführen. Das Defa-Studio für Spielfilme nimmt Losansky daraufhin unter Regie-Vertrag.

Aber es sind nicht nur die vermeintlich starken Kinder, die Losansky zeigt, sondern vor allem auch die Verträumten, die zu Langsamen für diese Welt. In „Moritz in der Litfaßsäule“ nach dem Kinderbuch von Christa Kozik ist es ein neunjähriger Junge, dem in seinem Refugium einer sprechenden Katze hilft, stark zu werden.

Zu Beginn der 80er-Jahre wagt Losansky den ersten Kinderwestern der DDR: Ein zehnjähriger Junge träumt sich auf dem Weg zur Schule in seinen geliebten Westernhelden, der Sportlehrer wird dabei zum Republik-Indianer Gojko Mitic, der Schuldirektor zum Sheriff. „Der lange Ritt zur Schule“ ging zwar gegen der Strich der Pionierideologie, Preise bekam er trotzdem, national wie international und auch ins Ausland wurde er devisenbringend verkauft.

Liebevoll und fantasievoll sind Losanskys Streifen, sie stehen damit in einer Tradition von Kinderfilmen, wie sie in der Tschechoslowakei entstanden und heute vorrangig in den nordischen Ländern zu Hause sind. Die leisen Sorgen der Heranwachsenden sind dabei wichtiger als eine durchgeknallte Geschichte und ein monster- und actionreiches Drehbuch. Die „böse Fantasie“ à la Harry Potter, wie Losansky sie nannte, mochte er nie.

Mit der Wende bricht wie für viele seiner Defa-Kollegen seine Filmwelt zusammen. Er hat Schwierigkeiten, Fuß zu fassen. „Ich weiß noch immer nicht, an welcher Tür ich wie laut oder leise klopfen muss, um an die richtige Adresse zu kommen“, sagte er 2006 gegenüber den PNN. Es ist aber nicht nur die persönliche Bindung zu den neuen Verantwortlichen im Filmgeschäft, die ihm fehlt, sondern auch ein Einverständnis darüber, was Kinderfilm eigentlich bedeutet. „Die meisten Produzenten denken, kleine Schuhe sind billiger als große. Aber das sind sie gerade nicht. Man kann bei Kindern keine kleineren Maßstäbe ansetzen.“

Sein letzter Kinofilm war 1999 die Verfilmung von „Hans im Glück“. Aber aufgehört filmisch zu denken hat Losansky trotzdem nicht: Er leitete Drehbuchseminare, reiste durch die Republik und um die Welt, um Kindern seine Filme zu zeigen und mit ihnen darüber zu sprechen. Außerdem inszenierte er nun seine Filme fürs Theater. Viele Geschichten sprühten ihm noch durch den Kopf, Stoffe, die ihn bewegten, die aber nicht mehr den Weg in die Welt fanden. Auf den Tag genau 50 Jahre nach seinem Debütfilm erlitt Rolf Losansky 2013 einen Schlaganfall, der ihn der Sprache beraubte. Sein großer und zugleich enger Freundeskreis – viele von ihnen ehemalige Kollegen der Defa, Filmfreunde wie Gojko Mitic, Knut Elstermann oder Jaecki Schwarz – sorgte dafür, dass er trotzdem weiterhin zu Hause leben konnte. Sie sammelten mehrere Tausend Euro, um in dem Mehrfamilienhaus in der Hans-Sachs-Straße, in dem er in einer kleinen Wohnung lebte, einen Lift einbauen zu lassen.

„Er war tapfer bis zum Schluss“, sagt Christa Kozik. Am Donnerstagmorgen ist Rolf Losansky im Alter von 85 Jahren nach langer Krankheit verstorben. Seine Filme aber bleiben, zeitlos sind die Geschichten – auch wenn das Dekor heute ein anderes wäre. „Sein Credo war immer, sich mit Leichtigkeit und Phantasie den zum Teil schwierigen Themen zu nähern“, würdigte Carl Woebcken, Chef der Babelsberger Filmstudios, das Werk Losanskys. Es waren die Themen der Kinder, die dem zierlichen Mann mit dem freundlich-verschmitzten Lächeln am Herzen lagen und ihn zu poetischen Filmen antrieben.

Das Filmmuseum zeigt am morgigen Samstag um 15 Uhr Rolf Losanskys Film „Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen“ und würdigt noch bis zum 25. September unter anderem sein Schaffen in der Foyerausstellung „Es war einmal ... Kinderkino aus Babelsberg“

Grit Weirauch

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