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Kultur: Melange

„Fight Club“ und verrückte Träume bei Unidram

Man hätte es eigentlich wissen können. Spätestens, als am Mittwochabend mindestens 26 Besucher benötigt wurden, damit die multimediale Theaterchoreografie „Express Fight Club“ des „post theaters“ aus New York, Tokyo und Berlin überhaupt starten konnte. Denn die im Programmheft von Unidram so geheimnisvoll angekündigte Performance über die Arbeitswelt benötigte für jede ihrer Vorstellungen wenigstens diese Anzahl Zuschauer, die in einem Vorraum von ihrer Garderobe befreit, mit einer Nummer ausgestattet und Vorschriften versehen wurden. Erst dann erfolgte der Einlass und das Spiel konnte beginnen.

Dessen Regeln bestimmte ein smarter Diktator per Videoprojektion und die „Nummern“ folgten bereitwillig seinen scheinbar harmlosen Instruktionen, die wie heute allgemein üblich in Englisch erteilt wurden. Wer gibt schon gerne zu, dass er dieser Sprache nicht hundertprozentig mächtig ist? Schon da setzte die erste Unterwerfung ein und im Halbdunkel des engen Raumes mit dem flimmernden Spielfeld am Boden folgten viele weitere. Im Chor wurden Sätze wie „Everything is a copy of a copy of a copy. After a night in our club, you can deal with anything“ nachgesprochen, wildfremde Menschen einfach angefasst und ganz zum Schluss standen alle stramm mit brennenden Feuerzeugen in der rechten Hand. Nach 30 Minuten war dieser Spuk vorüber und man fragte sich, warum man nicht einfach die Gefolgschaft verweigert hatte.

Nach dieser beängstigend zeitgemäßen, auf Manipulation und Gruppendynamik beruhenden Versuchsanordnung, war man fast nahtlos in die „Don Cristobal Competition“ der ungarischen Bladder Circus Company geladen. Auch hier fand man sich im Halbdunkel wieder. Vor sich die Bühne eines Varietés oder Zirkus. Dessen Darsteller scheuten lange das Rampenlicht und hinter dem zugezogenem Vorhang kriegte man schnell mit, dass es mit ihren Künsten wohl nicht weit her sein würde. Und so wagten sie sich auch erst nach und nach, zumeist melancholisch gestimmt vor den Vorhang. Alterslose Clowns und merkwürdig gebremste, aber körperlich sehr präsente Dompteurinnen.

Die eigenwillige Musiktheaterinszenierung von Szabolcz Szÿke beruht auf Motiven von Garcia Lorcas Farce „Don Cristobal y la Sena Rosita“ und bedient sich bei Texten des russischen Dadaisten Daniil Charms, die gemeinsam eine so absurde Melange eingingen, dass es sich wie ein mehrfach durchgeschüttelter Traum anfühlte, auf einer Bühne, die von vielen Vorhängen in kleine Kammern unterteilt war. Und wobei eigentlich jeder Versuch scheitern muss, das Gesehene auch nur annähernd zusammenhängend wiederzugeben: Eine üppig-lebenspralle Rosita im flammend roten Kleid lässt eine grauhaarige Puppe (sich selbst?) bedächtig am Reck kreisen, einer der Clowns erzählt schläfrig die Geschichte vom Vergessen der richtigen Reihenfolge der Zahlen 7 und 8. Die Mutter von Rosita preist ihre Tochter in einer Puppentheaterszene wollüstig-kupplerisch an und diese lässt, als sie endlich an den Mann gebracht ist, eine Cristobalpuppe, die aber auch den anderen Clowns ähnelt, rastlos vor ihrer Scham kreisen, wobei man das Klappern der hölzernen Puppenglieder hört.

Es ist vor allem die schwermütig-traumwandlerische und wie aus der Zeit gefallene Atmosphäre, die die Inszenierungen von Bladder Circus so unverwechselbar macht, sowie die Vermischung von Elementen aus Kammeroper, Zirkus und musikalischem Happening.

Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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