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Kultur: Mehr als Flucht und Vertreibung Zehn Jahre Kulturforum

östliches Europa

Diese Arbeit ist kein Selbstläufer. Die Erlebnisgeneration kann ihre eigenen Erfahrungen bald nicht mehr weitergeben und viele Jugendliche wissen fast gar nichts mit diesem Teil der deutschen Geschichte anzufangen. Was verbirgt sich hinter so klangvollen Namen wie Gottschee, Zips, Bukowina, Wolhynien, Kurland, Banat, Bessarabien, die zwangsläufig in das Thema Flucht und Vertreibung münden?

Vor zehn Jahren ist das Deutsche Kulturforum östliches Europa in Potsdam angetreten, um für diese Fragen zu sensibilisieren. „Allzu oft wurde die Geschichte der Deutschen im östlichen Europa nur politisch betrachtet und je nach dem eigenen Standpunkt instrumentalisiert. Die Erinnerung reichte oft nur bis zu den Folgen des Zweiten Weltkrieges. Die jahrhundertelange gemeinsame Geschichte der Deutschen und der jeweiligen Regionen, die reichen Kulturlandschaften, wechselvolle Lebensläufe, faszinierende Persönlichkeiten und ein europäisches Miteinander lange vor unserer Zeit gerieten aus dem Blick“, sagte die Direktorin Doris Lemmermeier auf dem gestrigen Pressegespräch in der Staatskanzlei. Ihrem Haus am Neuen Markt mit seinen 13 Mitarbeitern gehe es darum, sich mit dieser Vergangenheit kritisch und zukunftsorientriert auseinanderzusetzen.

Mit einer zehnteiligen Veranstaltungsreihe feiert das Deutsche Kulturforum östliches Europa sein zehnjähriges Bestehen, zu dessen Auftakt es gestern in Potsdam ein Konzert anlässlich des wiederentdeckten Musikers Anton Ferdinand Titz gab. Unter dem Titel „Erinnern und Entdecken“ werde das ganze Jahr hindurch, unter anderem in Den Haag, Warschau und Odessa, das eigene Fest gemeinsam mit anderen Jubiläen gewürdigt, wie dem 200. Geburtstag Chopins oder 60 Jahre „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“. Zum 200. Todestag von Königin Luise wird ihr Aufenthalt in Ostpreußen beleuchtet. Auch sie war eine Flüchtige.

„Viele Jahre waren Flucht und Vertreibung kein Thema. Heute gehen die jungen Leute ganz unbefangen damit um“, sagte Kulturministerin Martina Münch. Es sei aber eine sehr harte Arbeit, gerade unter der deutschen Jugend, überhaupt eine Spur zu ziehen. „Wir gehen gezielt in kleinere Gruppen, machten beispielsweise Exkursionen mit Studenten der Uni Potsdam ins Lebuser Land“, betonte Lemmermeier, deren Einrichtung jährlich mit 1,2 Millionen Euro vom Bund finanziert wird. „Vor der Wiedervereinigung gab es eine Reihe von Institutionen, über die ganze Bundesrepublik verteilt, die sich dem Thema Osteuropa widmeten. Die Wende führte zu einer Bündelung, auch des Geldes, und einem ganz neuen Konzept“, so Kulturforum-Vorstandsvorsitzender Winfried Smaczny. Wichtig sei der Dialog mit den Ländern, in denen einst Deutsche lebten oder noch immer leben. Gute Kontakte gebe es nach Moskau, Sant Petersburg oder Siebenbürgen. „Bei Estland und Lettland sind wir erst am Anfang“, sagte Doris Lemmermeier. 2009 schickte das Kulturforum einen jungen Stadtschreiber nach Danzig/Gdansk, in diesem Jahr gibt es einen in Fünfkirchen/Pécs. Sie schreiben Internetblogs, die dann als Miniaturbücher gedruckt werden.

Zur Nominierung von Erika Steinbach für den Stiftungsrat des Zentrums gegen Vertreibung wollte sich Doris Lemmermeier nicht äußern. Sie betonte aber, dass es mit der Stiftung keinerlei Berührungsängste gebe. Heidi Jäger

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