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Margarete Stokowski im Waschhaus Potsdam: Feminismus? Gerne!

Die Kolumnistin und Autorin Margarete Stokowski las im Waschhaus aus ihrem Buch „Untenrum frei“.

„Untenrum frei“. Den Titel des Buches hatte Margarete Stokowski schon parat, bevor sie es zu schreiben anfing, sagte sie am Mittwochabend im Waschhaus. Hinter diesem griffigen Slogan verbirgt sich tatsächlich – wer hätte es geahnt – ein feministisches Manifest. Wirklich? Nein, ganz so manifestierend ist es gar nicht, denn dieses parapolitische Geschwurbel ist einfach nicht die Sache der „Spiegel“-Kolumnistin. Wieso auch? „In der Debatte über den Feminismus ist genug Tinte geflossen“, zitiert sie Simone de Beauvoir aus deren Werk „Das andere Geschlecht“. Das war übrigens 1949.

Und ohne Zitate Simone de Beauvoirs wäre es doch auch nur ein halbgares Buch geworden, seien wir ehrlich. Ohne die Vorarbeit der Philosophin würde die Debatte wohl immer noch stolpernd geführt, wenn überhaupt. Dann wären wir ja auch kaum in den Genuss von Stokowskis Sammelsurium schmutziger Dinge gekommen, das sie in einen höheren Dienst stellt: Es geht um nichts Geringeres als die Freiheit an sich. Und den Versuch, diese zu definieren.

Dieser Versuch der Freiheitsdefinition beginnt selbstverständlich bei Hegel – kennste, kennste? Der vergleicht nämlich den Geist mit dem Penis, und was der alles so kann, wie Stokowski konstatiert.

Und das ist immerhin eine ganze Menge: „Mit einem Penis kann man seinen eigenen Namen in den Schnee pinkeln“, liest Stokowski. „Also, sobald man schreiben kann.“ Denn diese Festlegung auf primäre Geschlechtsmerkmale startet schon ziemlich früh, in der Kindheit. Das hat ja bereits Sigmund Freud erkannt. Eigentlich schon viel früher: „Was wird es denn?“, laute die meistgestellte Frage bei einer Schwangerschaft. So früh wie möglich kann man den Menschen auf das Geschlecht festnageln – und auf blau oder rosa. Und so liest Stokowski eben aus ihrer eigenen Kindheit vor, das polnische Mädchen mit dem Mireille-Mathieu-Topfhaarschnitt, „wie ein Beatle mit Bärchenpulli“, das immer für einen Jungen gehalten wurde: „Nicht als Prinzessin geboren“ nennt sie das erste Kapitel, eine Zeit, bevor der Körper „zu einer wandelnden To-do-Liste“ wurde. Und ganz ehrlich: Nirgends erklärt sich dieser ganze Irrsinn von vorfristiger Identitätsfestlegung anschaulicher als in der Kindheit.

Sind ihr diese ganzen Geständnisse nicht peinlich, das mit dem Masturbieren etwa? „Nein“, sagt sie, „wenn man schreibt, ist man alleine.“ Letztens sei ihr Vater auf einer Lesung von ihr gewesen, um den geht es ja auch im Buch – und das sei schon etwas unangenehm gewesen. Aber was soll’s? Schließlich könne man „Untenrum frei“ auch bei Hugendubel kaufen, da steht es im Sachbuchregal.

Dass dem Begriff Feminismus – und um nichts anderes geht es bei Stokowski – durchaus auch eine gewisse Klebrigkeit anhaftet, ist ihr schon bewusst. „Es gibt konstruktive Kritik“, sagt sie. „Und es gibt Fuck-you-Anwärter.“ Von der Notwendigkeit der Debatte entbindet dieser Begriff jedoch nicht: Margarete Stokowski debattiert ja auch, aber eben auf die witzige Art. Und liefert die Erkenntnis gleich mit: „Wir können nicht untenrum frei sein, wenn wir nicht obenrum frei sind.“ Oliver Dietrich

 


 

 

 

Margarete Stokowski, Untenrum frei 19,95 Euro, 256 Seiten,

Rowohlt, ISBN: 978-3-498-06439-6.

Oliver Dietrich

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