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Thomas Sander interessiert sich für Orte, an denen die Widersprüche der Stadt sichtbar werden – wie etwa am Alten Markt.

© Detlef Birkholz

Malerei: Künstlerischer Spaziergang durch Potsdam

Viel mehr als Friedrich, Friedrich, Friedrich: Der Maler Detlef Birkholz und der Bauhistoriker Thomas Sander haben einen Potsdam-Kalender jenseits des üblichen Stadtprogramms gestaltet.

Eine helle Gartenbank, auf der niemand sitzt. Gleich hinter dem Freiluftmöbel Beete, zwischen denen im rechten Winkel Wege verlaufen. Überall treibt der sommerliche Überfluss der Natur hier im wahrsten Sinne des Wortes Blüten – vor allem rote.

Der Potsdamer Maler Detlef Birkholz hat auf seinem Bild die vergängliche Schönheit des Sommers festgehalten. Besonders das kräftige Rot der Blumen hinter der Parkbank zieht den Blick des Betrachters auf sich. Doch auch der Hintergrund des Bildes zieht in den Bann: Ist das nicht ...? Ja, es ist die Potsdamer Nikolaikirche. Direkt vor den Sakralbau hat sich in dieser Perspektive das Knobelsdorffhaus geschoben, gleich nebenan erkennt man die Kuppel des Alten Rathauses. Auch ein Baukran ist zu sehen.

Florale Leichtigkeit vor Fassadenwucht

Im Juni dieses Jahres hat Detlef Birkholz diesen Blick von der Freundschaftsinsel hinüber auf das innerstädtische Festland mit Acrylfarben und Kohle auf Papier gebannt. Und ein Jahr später, also im Juni nächsten Jahres, wird diese gemalte Melange aus floraler Leichtigkeit und steinerner Fassadenwucht vermutlich so manches Zimmer schmücken. Denn das Bild hat als Juni-Blatt Eingang in den von Birkholz gemeinsam mit dem Bauhistoriker Thomas Sander gestalteten Potsdam-Kalender für 2018 gefunden.

„Insel Ausblick Potsdam“ haben Birkholz und Sander den kunstvoll gestalteten Jahresbegleiter im Format 32 mal 64 Zentimeter genannt. Ein mehrdeutiges Motto. Von der Stadt an der Havel sagt man gelegentlich, sie sei eine Insel – was ja auch stimmt, so ungefähr. Potsdam ist für Birkholz zudem ein Ort, der so ganz anders ist als sein Umfeld. Ein Solitär im märkischen Sand. Also auch so gesehen eine Insel. Und dann, sagt Birkholz, gibt es innerhalb der Stadt ebenfalls Inseln – gestaltete Areale, die ihre ganz spezielle Wirkung auf den Flaneur entfalten.

Der Steubenplatz ist so ein Ort. Das Stadtschloss, die Kolonnaden, aber auch der Marstall rahmen die trist wirkende Grünfläche ein und lassen das Ganze wie architektonisch gestaltetes Areal wirken. Auf dem Novemberblatt des neuen Kalenders ist zu betrachten, wie Birkholz diese Stadtsituation sieht. Zentral im Bild: Die Kolonnaden, die – anders als früher – nun keine Gebäude mehr verbinden, sondern irgendwie als Fragment in der Stadtlandschaft stehen. Das Bild trägt daher auch den Titel „Fragmente“.

Altes trifft auf Neues

Die Mitte der Stadt, so empfindet es Birkholz, fülle sich derzeit mit neuen Häusern. Und genau dieser Wandel, diese Brüche, wo Altes auf Neues trifft, werden auf seinen Bildern auch sichtbar. Etwa wenn er aus geschickt gewählter Perspektive die Fassade der einstigen Fachhochschule direkt auf das Landtagsschloss stoßen lässt.

Auf jedem Kalenderblatt finden sich zwei Werke von Birkholz. Diese künstlerische Stadterkundung wird wort- und einfallsreich mit Texten von Thomas Sander begleitet. Zusammen mit den Bildern ist auf diese Weise ein Gesamtkunstwerk mit starker Handschrift entstanden.

Dazu tragen die Texte Sanders nicht unerheblich bei. Streckenweise abseits vom klassischen Potsdam-Curriculum – Friedrich, Friedrich und nochmals Friedrich – entfaltet der Potsdamer Bauhistoriker auf jedem Kalenderblatt seine Gedanken zur Stadt. Immer liebevoll spöttelnd, immer auch hintergründig. Ein wenig fühlt man sich als Leser dabei an Georg Hermann erinnert, jenen literarischen Potsdam-Eroberer der 1920er-Jahre, dessen „Spaziergang in Potsdam“ von 1926 noch heute lesenswert erscheint. Auch Hermann beschrieb Potsdam mit einem Augenzwinkern.

Potsdam als menschlicher Biberbau

Die Stadt war um 1725 noch ein menschlicher Biberbau, befand der Literat einst. Sie ist heute nicht unwesentlich geprägt vom Aneinanderstoßen verschiedener Stadträume, man könnte auch sagen: Inseln. Eine solche Situation beschreibt Sander im Kalenderblatt für Juli. Tosender Verkehr, daneben eine Wiese, auf der sich drei von der Bildhauerin Margret Middell in Bronze geschaffene Figuren – zwei Männer und eine Frau – in der Landschaft anscheinend erholen. Die Rede ist von dem Wiesenstück am Kopf der Freundschaftsinsel nahe der Langen Brücke. Unweit davon ragen die Fassaden des Bahnhofs und der ILB in den Himmel.

Sander schreibt dazu in seinen Betrachtungen: „Die Frau blickt hinüber zum Hauptbahnhof, vor den sich die Strichcode-Fassade einer Bank schiebt – Schönheit des Geldes. Man möchte den dreien zurufen: Haltet aus!“

Nicht immer sind die Texte im Kalender so stimmig. Das von Sander im Text für das Juni-Motiv verwendete Bild der Rosenkriege um Uferwege, Privatparks und unerlaubte Badestellen erscheint etwas schief. Der Terminus des Rosenkrieges hat schließlich eine andere Bedeutung als die hier gemeinte. Auch der Ausflug in die griechische Mythologie auf dem Septemberblatt gerät an einer Stelle missverständlich, wenn es heißt, Thetis sei später in Amphitrite umbenannt worden. Im alten Griechenland bekam Thetis jedoch keinen neuen Namen – nur die Potsdamer Figur der Thetis im Neptunbassin soll später in Amphitrite umbenannt worden sein.

Nicht der letzte Jahresbegleiter

Insgesamt aber darf sich der Kalenderbetrachter auf sehr individuelle Texte und perspektivenreiche Bilder freuen. Der Jahresbegleiter ist der erste, den Detlef Birkholz und Thomas Sander gemeinsam gestaltet haben. Es soll, so sagen die Schöpfer, nicht der letzte sein.

Der Kalender wird am Donnerstag um 18 Uhr im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, vorgestellt. Der Eintritt ist frei. Erhältlich ist der Kalender in ausgewählten Potsdamer Buchhandlungen zum Preis von 25 Euro.

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