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"Maikäfer, flieg" im Babelsberger Thalia: Abenteuer zwischen Ruinen

Für Kinder ist die Welt oft ein großer Abenteuerspielplatz. Bäume werden zu Burgen, U-Bahnhöfe zu Geheimgängen, die nächste Straßenkreuzung zum Märchenland.

Von Sarah Kugler

Für Kinder ist die Welt oft ein großer Abenteuerspielplatz. Bäume werden zu Burgen, U-Bahnhöfe zu Geheimgängen, die nächste Straßenkreuzung zum Märchenland. So auch bei Christine, der Protagonistin in Mirjam Ungers Film „Maikäfer, flieg“, eine Adaption des gleichnamigen Romans von Christine Nöstlinger. Dass in ihrer Welt schon seit Jahren der Zweite Weltkrieg tobt, stört sie dabei nicht. An Friedenszeiten kann sich die Neunjährige sowieso nicht mehr erinnern. Und so ist die Ankunft der Russen nach Kriegsende für sie eher eine willkommene Abwechslung als eine Bedrohung, Furcht hat sie höchstens vor den Mäusen im Keller.

Regisseurin Mirjam Unger, die den Film am Mittwochabend im Babelsberger Thalia-Kino vorstellte, schafft es sehr gut, die Geschichte aus der Kinderperspektive zu erzählen, ohne dabei die Grausamkeiten des Krieges allzu weich zu spülen. „Es ist ein Familienfilm, das ist mir sehr wichtig“, so die österreichische Regisseurin, deren jüdische Familie großmütterlicherseits während der Nazizeit aus Berlin vertrieben wurde. Den Roman von Nöstlinger – die den Film als „gar nicht so schlecht“ betitelte – habe sie schon immer sehr geschätzt, vor allem wegen des liebevollen Humors und der besonderen Perspektive, wie sie am Mittwoch sagte: „Dass mir das jemand dieser Zeit so gut erzählen kann, das alltägliche Leben, das hat mich beeindruckt.“

Getragen wird der Film von einem starken Cast, besonders von der jungen Hauptdarstellerin Zita Gaier. Sie spielt die Christine, die mit ihrer Mutter (Ursula Strauss) und ihrer älteren Schwester kurz vor Kriegsende aus dem zerbombten Wien in ein Landhaus flieht, in das sich bald darauf russische Soldaten einquartieren. Während die Mutter zwischen der Sorge um die tägliche Mahlzeit und den im Krieg verwundeten Mann (Gerald Votava) kaum noch das Leben genießen kann, scheut sich Christine nicht, lautstark ihre Meinung zu äußern und freundet sich mit einem der Soldaten (Konstantin Khabenskyan) an.

Ein schöner Aspekt des Films ist dabei die Differenziertheit, mit der sowohl die Nazi-Deutschen, als auch die russischen Soldaten dargestellt werden. Christine nimmt beide Seiten weder schwarz noch weiß wahr und zeigt, dass sich Kinder dem Fremden viel unbefangener nähern als Erwachsene. Ein Aspekt, der in Hinblick auf den Krieg in Syrien und die Situation der geflüchteten Menschen einen aktuellen Bezug zur Gegenwart herstellt.

Zita Gaier spielt all das mit scharfem Blick und herrlichem Trotzkopf. Eine Darstellerin zu finden, die genau das mitbringt, sei allerdings schwer gewesen, wie Unger erzählte. „Zita war wirklich ein Glücksfall. Sie hat sich toll weiterentwickelt, richtig Spaß am Spielen gefunden.“ Dieser Spaß überträgt sich beim Zuschauen und zeigt, dass die Welt sich auch in hoffnungslosen Zeiten weiterdrehen muss. Sarah Kugler

„Maikäfer, flieg“, täglich im Thalia-Kino, Rudolf-Breitscheid-Straße 50

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