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Bei der Arbeit. Roman Müller.

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Kultur: Magische Momente

Philosophierender Diabolo-Artist und magnetische Ballerina begeistern am dritten Unidram-Tag

Schon das Vorspiel war es wert, die Schweizer Gruppe Tr’espace bei Unidram, dem Internationalen Theaterfestival, gesehen zu haben. Mit nur einem Dutzend Palmblattrippen fügte Roman Müller im Zeitlupentempo ein riesiges, sehr fragiles Mobilé zusammen. Mit seiner Choreografie aus Langsamkeit und Balance zeigte er eine wunderbare Poesie des Gleichgewichts. Man hielt zehn Minuten lang den Atem an, übte sich in Meditation und Anspannung zugleich, und war beglückt und erleichtert, als dieses luftige Gebilde dann über der Bühne schwebte.

Doch dieser magische Moment währte nur kurz. Wenige Augenblicke später zerstörte der Schweizer Artist mit einer kleinen Handbewegung seine wundervolle Kreation. Und entsprach damit haargenau dem Motto, mit dem seine Performance aus Artistik, Klaviermusik und selbstgebauten Maschinen überschrieben war: „ArbeiT oder Das Lob der Vergänglichkeit“. Diese nonverbale und dabei sehr humorvolle Performance sagte ungeheuer viel über vergangene und heutige Arbeitswelten aus.

Zunächst einmal war Handarbeit angesagt und immer wieder bewegte der langhaarige Schweizer, der als „Philosoph unter den Artisten“ bezeichnet wird, Dutzende kleine weiße Halbschalen durch den Raum. Hatte er diese ordentlich aufgestapelt, schoss sein Assistent Philippe Deutsch von diversen mechanischen Vorrichtungen weitere Exemplare in den Raum. Diese verdoppelten alsbald ihre Gestalt, und Roman Müller, der als begnadeter Diabolo-Artist gilt, widmete sich in seiner großartigen körperlichen Präsenz diesen uralten Jonglier-Geräten.

Doch so wunderbar leicht und raffiniert diese auf dem Seil tanzten – es war zu sehen, wie viel Kraft das kostete. Und so nahm der Artist einen mechanischen Nähmaschinenantrieb zu Hilfe, um die teuflischen Halbschalen müheloser in die nötige Rotation zu versetzen. Das trieb er so weit, bis er selbst nahezu überflüssig wurde. In einem ohrenbetäubenden Finale aus Klaviermusik (Eve-Anouk Jebejian) und Maschinenlärm bewegte sich alles auf das Schlussbild zu. Und jeder konnte sehen, wie wenig Seele den nun ausschließlich maschinengetriebenen Diabolos innewohnte.

„ArbeiT“ erwies sich als ein dramaturgisch geschickter Auftakt dieses dritten Unidram-Abends, der kurz darauf im Waschhaus mit der Tanzperformance „Dance of the Magnetic Ballerina“ weiterging. Hier erwartete die Besucher ein kleines schwarzes Podest, das von sechs Glühbirnen spärlich erleuchtet wurde. Doch selbst diese wurden bald gelöscht und aus völliger Dunkelheit tauchte eine stattliche Ballerina auf. Die Tänzerin Eva Miltnerová war mit einem hautengen schwarzen Body und einem riesigen steifen Tütü bekleidet. Wer jetzt einen klassischen Spitzentanz erwartete, wurde schon vom ersten Moment an enttäuscht. Allein Andrea Miltnerovás ungemein athletischen Arme und Schultern setzten sich obsessiv zu der technodominierten Musikcollage in Bewegung. Und es hatte den Anschein, als dominiere der Geist dieser Musik, als interpretiere ihr Gestus die beängstigend mechanisch zuckende Tänzerin. Ihr Gesicht jedoch zeigte keine Regung.

Dieses einseitige Ausgeliefertsein verstärkte sich, weil die Tänzerin, die bereits im vergangenen Jahr mit ihrer Performance „Fractured“ das Unidram-Publikum faszinierte, wie festgewachsen – buchstäblich magnetisch angezogen – auf ihrem Platz verharrte. Großartig, wie Andrea Miltnerová in ihrer halbstündigen Aufführung eine Metamorphose vollzog und einen bis zum überraschenden Schlussbild völlig in ihren Bann zog.

Das kongeniale Lichtdesign von Jan Komárek ließ sie wie in einem (Alb-)Traum erscheinen und in ihrem durchgängig unwirklichen Sein erinnerten einige Sequenzen an Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“ oder an fantastische Insektenwesen. Und es machte sich auch Erleichterung breit, als die wieder Mensch gewordene Actrice sich freundlich lächelnd vor dem begeisterten Publikum verbeugte. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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