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Kultur: Lyrikduett mit kostbaren Momenten

Christiane Schulz und Richard Pietraß lasen in der Ausstellung von Squaw Hildegard Rose im Kunstraum

Wer bisher glaubte, Lyriklesungen würden kaum jemand hinter dem Ofen hervorlocken, sah sich am Sonntagnachmittag gründlich getäuscht. Über dreißig Zuhörer hatten sich im Kunstraum in der Schiffbauergasse eingefunden, um bei strahlendem Sonnenschein und zur besten Kaffeezeit den beiden Autoren Christiane Schulz und Richard Pietraß zu lauschen. Für die aktuelle Ausstellung von Squaw Hildegard Rose, über deren Arbeit Christiane Schulz schreibt: „Dunkelzeichen, die gelesen werden und gleichzeitig verborgen bleiben wollen“, hatten beide Autoren hauptsächlich Naturgedichte ausgewählt.

„In dulce jubilo“ und „Winterreise“ konstatieren eindringlich und sensibel Veränderungen in unserer Umwelt, die auf den beginnenden Klimawandel zurückzuführen sind. Leise wehklagend beschreibt die bekannte Potsdamer Autorin Christiane Schulz darin Naturphänomene, die vielen Mitmenschen gar nicht mehr auffallen oder – wie die zunehmende Erwärmung – sogar deren Begeisterung hervorrufen. In diesen Versen wird einem das Unwiederbringliche, des noch bis vor wenigen Jahren Normalen, in seinem Schwinden nachhaltig bewusst. Christiane Schulz lenkt in ihren Arbeiten ihren und unseren Blick auf das Kleine, im lauten und rasenden Alltag oftmals Unbeachtete und schafft es nahezu ohne Pathos, nicht nur die schleichenden Verluste deutlich zu zeigen.

Als „kostbare Momente, die man mit anderen teilen will“, bezeichnete Richard Pietraß seine Empfindungen in den darauffolgenden Dreizeilern. Die – in Inhalt und Form an japanischen Haikus orientiert – als Ergebnis eines Arbeitsaufenthaltes in einem 80-Seelendorf im Wendtland vor zwei Jahren entstanden. Die Sammlung „Wendekreis“, die auch der gemeinsamen Lesung den Titel gab, vereinigt gleichfalls einfühlsame Schilderungen von schönen meditativen Augenblicken in einer fast unzerstörten dörflichen Idylle. Doch Pietraß“ Ton ist ein anderer, er bestaunt und feiert geradezu die „Osterfeuer“ und die „Zugvogelbäume“ und „Misthaufen“ gar als Minarette des Weidelands. Wohl wissend, dass sich ganz in der Nähe ein atomares Endlager befindet. Seine Lust am eher schwelgerischen Fabulieren kam indes in einem Text über seine Pilgerreise von Vaduz nach Wien ins Palais Liechtenstein zum Tragen und auch in seinen vielen persönlichen Zwischenbemerkungen im warmen sächsischen Tonfall.

Christiane Schulz, von eher zurückhaltendem, fast sprödem Naturell, ließ vor allem ihre Texte, von denen sie hofft „dass sie innen größer als außen sind“, eindrucksvoll sprechen. Ein wenig störend und nicht sehr glücklich konzipiert, wirkte da das im Anschluss stattfindende Gespräch, das Jürgen Israel moderierte. Und welches vor allem Christiane Schulz nicht wirklich zu Wort kommen, sondern nur auf „vorgefertigte“ Statements antworten ließ. Hintergründe ihres Schaffens oder eine Erhellung der künstlerischen Beziehung zu Richard Pietraß hätten da schon eher interessiert.

Denn es ist eine gute Idee, nicht nur in dieser Kunstraum-Ausstellung zeitgenössische Lyriker zu Wort kommen zu lassen. Doch vielleicht eher in Begleitung von passenden Musikern oder in direkter Zwiesprache mit den ausgestellten Bildern, wie sie Christiane Schulz in ihren „Künstlergedichten“ gelang.

Astrid Priebs-Tröger

Zur Finissage der Ausstellung von Squaw Hildegard Rose am 17. Februar, um 16 Uhr, Lesung mit Katja Lange-Müller aus ihrem Roman „Böse Schafe“.

Astrid Priebs-Tröger

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