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Der Animationsfilm „Einmart“ zeigt den gescheiterten Ausbruchsversuch aus einem geschlossenen System. 

© Andreas Klaer.

Lutz Dammbecks erste Filme im Filmmuseum Potsdam: Mit dem Kopf durch die Wand

Das Filmmuseum Potsdam zeigt in der Foyerausstellung „Metamorphosen“ die Anfänge von Lutz Dammbecks Filmschaffen. Diese waren zunächst noch überraschend unschuldig.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Ein verzerrtes Gesicht, ein Körperrumpf, aus dem Beine wachsen, Arme, die um Flügel erweitert werden, eine Figur, die sich mühevoll aufrichtet. Es ist eine langsame Verwandlung, die Lutz Dammbeck in seinem Animationsfilm „Einmart“ zeigt. Eine langsame und eine schmerzvolle. Im Filmmuseum ist sie ab Donnerstagabend in der Foyerausstellung „Metamorphosen“ besonders intensiv nachzuempfinden. Nicht in Filmform, sondern auf einem Grafikboard, das die einzelnen Figurenzeichnungen zeigt, die sich in der Animation zu einer Bewegungsabfolge zusammensetzt. Eine, die sich in den Kopf des Betrachters hineinbohrt und nicht leicht auszuhalten ist.

Überhaupt ist „Einmart“ – der Titel stammt aus einer Mondkarte und bezeichnet ursprünglich einen Krater – keine leichte Kost. Der gleichnamige Protagonist, eine rumpfartige Kopffigur mit Armen, lebt auf einem mutierten Planeten, über den ein düsterer schwarzer Vogelgott wacht. Ihm nacheifernd, versucht Einmart im Flug seine Freiheit zu finden, scheitert jedoch an einem großen Netz, das seine Welt einschränkt. Am Ende bleibt ihm nur die Rückkehr auf den Boden und ein stummer Schrei gegen den Himmel. Der Film entstand 1981 in der DDR, fünf Jahre vor Lutz Dammbecks Ausreise in den Westen und ist gewissermaßen ein Scheidepunkt seiner künstlerischen Entwicklung, der Anfang einer Metamorphose.

Ein "unschuldiger Anfang"

1948 in Leipzig geboren, studierte Dammbeck Buch- und Plakatgestaltung an der dortigen Hochschule für Grafik und Buchkunst. Mitte der 1970er Jahre begann seine künstlerische Arbeit im Dresdner Defa-Studio mit Animationsfilmen. Seine erste Arbeit „Der Mond“ bezeichnet Dammbeck selbst als „unschuldigen Anfang“. „Das Studio hatte Fördergeld übrig, ich wollte Filme machen“, sagte er gestern im Filmmuseum. 14 Tage bekam er Zeit, „zeichnete wie ein Verrückter“ und wurde 1977 beim Internationalen Animationsfestival in Annecy als Nachwuchskünstler für sein Werk ausgezeichnet. Die farbenfrohen, knuffigen Animationen des Films sind ebenfalls in der Potsdamer Ausstellung zu sehen. 

Kindlicher Film: "Der Mond"(1974).
Kindlicher Film: "Der Mond"(1974).

© Andreas Klaer

„Der Mond gab mir die Chance, den nächsten Film zu machen“, erzählt der Künstler, der im Oktober 70 Jahre alt geworden ist. Und in diesem nächsten, nämlich „Der Schneider von Ulm“, wird schon sehr viel deutlicher, wo Dammbeck hin möchte. Zur Systemkritik, zu einer Aufbäumung gegen die Beschränkungen der DDR und hin zu einer eigenen Kunstform.

„Ins Gefängnis wollte ich nicht."

Die Geschichte nach dem gleichnamigen Gedicht von Bertolt Brecht ist fast schon so düster wie der „Einmart“, der Dammbeck schließlich dazu brachte, mit den Defa-Studios zu brechen. „Es gab Probleme mit dem Film“, sagt der Wahlhamburger. Auf Festivals war er verboten, aus dem Programm der Kinostudios wurde er herausgenommen. Dammbeck wusste, es muss sich etwas ändern. „Ins Gefängnis wollte ich nicht, weiter arbeiten schon. Ich musste also woanders hingehen.“

Noch vor seiner Ausreise nach Hamburg begann er sein großes Projekt „Herakles“, das zunächst als Filmidee entstand und unter anderem von Heiner Müllers „Herakles oder Die Hydra“ inspiriert wurde. Das Drehbuch für den multimedialen Experimentalfilm wurde allerdings vom Dresdener Studio für Trickfilm 1984 abgelehnt. Daraufhin verlagerte er das collagenhafte Projekt auf die Bühne, unter anderem nach Berlin und Dessau.

Lutz Dammbeck kreiert bis heute Filme. 
Lutz Dammbeck kreiert bis heute Filme. 

© Forto: Andreas Klaer

Die Montage als Markenzeichen

Es vereinte Tanz, Musik, Film und bildende Kunst. „Die Montage ist mein Ding“, so Dammbeck, der diese Form auch heute weiterführt. Von „Herakles“ zeigt das Filmmuseum großformatige Inszenierungsfotos. Sie sind der Schlusspunkt in der Ausstellung. „Um Dammbecks Weg, seine Metamorphose vom Animationswerk hin zu seiner experimentellen Mischform zu zeigen, hören mit seiner Arbeit in der DDR auf“, sagt Dorett Molitor, die Kuratorin von „Metamorphosen“ und Sammlungsleiterin des Filmmuseums. „In sein späteres Werk, das nach dem Weggang aus der DDR folgte, münden all diese Erfahrungen“, sagt Molitor.

Die Ausstellung wolle deswegen von dem Handwerk des Künstlers erzählen – und für den Besucher spürbar machen. So wird es etwa ein kleines Daumenkino mit Phasenzeichnungen aus „Einmart“ zu kaufen geben. Auch darin erhebt sich der freiheitssuchende Protagonist in die Luft – wie schnell und wie schmerzhaft, liegt dabei in der Daumenkraft des Blätternden.

+++ „Metamorphosen“, Eröffnung mit Filmvorführungen, heute um 19.30 Uhr, Filmmuseum, Marstall/Breite Straße 1. Die Ausstellung ist bis zum 10. März 2019 im Filmmuseum zu sehen. 

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