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Das pralle Leben in einem Atelier. Der Kleinmachnower Künstler Rainer Ehrt mit seinen jüngsten Arbeiten zu Martin Luther und den Zehn Geboten, die im Kalenderformat im Reformationsjahr 2017 erscheinen. Die Werke werden ab kommende Woche in einer Ausstellung im Kulturministerium gezeigt.

© Manfred Thomas

Kultur: Luther in voller Fülle

Das Widersprüchliche des Reformators Martin Luther in Cartoons: Ein Atelierbesuch bei dem Künstler Rainer Ehrt.

Gemälde und Grafik, Comic-Serie oder großes Kino, Medaillen, Teller, Tassen, Gläser. Martin Luther ist überall zu entdecken. Seit gut 500 Jahren hat man ihn und seine reformatorische Lehre ins Bild gesetzt. Schon zu seiner Zeit hat man erkannt, welche Kraft in der Visualisierung liegt. Trotz des Bildersturms, bei dem unter anderem eine große Anzahl von wertvollen Marien- und Heiligenaltären in Kirchen vernichtet wurde, setzte man eine Bilderflut in Gang. Der Reformationsgedanken wurde damit propagiert. Auch seine Ideengeber und Organisatoren kamen aufs Bild. Lucas Cranach der Ältere war 1520 Luthers erster Porträtist. Von da an rissen die bildnerischen Darstellungen nicht ab, bis heute: der Reformator als Mönch, als Junker Jörg, Ehemann, Professor, Kirchenvater.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde er auf Gemälden und Grafiken verherrlicht, auch in der Nazizeit. Erst Ernst Barlach, Lovis Corinth, Gerhard Marcks, um nur einige Maler und Grafiker zu nennen, warfen auf Luther ein kritisches Auge, ohne ihn zu verdammen. In diesem Geist hat auch der Kleinmachnower Künstler Rainer Ehrt seine Serie „Bruder Luther“ geschaffen. Die farbigen Zeichnungen, in denen er sich in meisterlicher Weise stilistisch bei den Renaissancemalern „Anleihen“ holte, vertraute er anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 dem Lutherischen Verlagshaus Hannover an. Aus der Zusammenarbeit entstand ein Kalender für das kommende Jahr. Ehrt wurde vom brandenburgischen Kulturministerium in Potsdam eingeladen, die Originale des Kalenders in dessen Räumen auszustellen.

Der aus Elbingerode im Harz stammende Rainer Ehrt, der an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein Halle studierte, gehört längst zu den renommierten Künstlern der Region und weit darüber hinaus. Seine Arbeitsgebiete sind vielfältig und besitzen eine souveräne Ausstrahlung: das Cartoon, die Druckgrafik, Zeichnung, das Künstlerbuch, die Malerei sowie die Holzskulptur. Mit ihnen gräbt er gern in der Geschichte. Preußen stand jahrelang im Focus seiner künstlerischen Auseinandersetzung. Die Janusköpfigkeit der Herrscher habe ihn immer wieder gereizt, sich mit ihnen zu beschäftigen. Die Satire ist sein künstlerisches Mittel, um Anfragen an die Historie und die Gegenwart zu stellen. Die Lust am intelligenten Streit hat dabei den Vorrang. Seine griffig formulierten Bilder kommen nicht bieder daher, sie leben von artistischen Einfällen. Die auf- und anregende Entdeckungstour zu Martin Luther, zur Reformation und zur Bibel ließen die Interpretationen zu „Bruder Luther“, zu den Zehn Geboten und den Sieben Todsünden entstehen. „Ich würde mich als bibelfesten Heiden bezeichnen“, meint der Künstler.

Wie zu erwarten, quillt sein Atelier in Kleinmachnow mit Büchern und Bildern über. Hier und da ist in dem großen Raum ein Buch aufgeschlagen, in dem er zwischendurch immer wieder liest. Die eingerahmten Cartoons zu „Bruder Luther“ müssen noch ein paar Tage warten, ehe ihnen in der Landeshaupstadt ein vorübergehendes neues Domizil gewährt wird. Die obligatorische Frage an Rainer Ehrt: Was interessiert den Künstler von heute an Luther und seiner Zeit? „Der Sprachschöpfer, der den Sinn und Hintersinn der Alltagssprache herausfand, der geschliffene Polemiker, der die Emanzipation möglich machte, der seiner Sache gewiss war, der sich gegen soziales Unrecht wandte“, sagt Ehrt. Aber zugleich weist er auf Luthers Antijudaismus hin, auf den Obrigkeitsgehorsam, der ihm ein Leben lang anhaftete.

Der widersprüchliche Luther wird bei Ehrt mit vielen Anspielungen in Szene gesetzt: Da fährt der Bibelübersetzer in einer Kutsche durch die winterliche Landschaft, bepackt mit unzähligen Bibeln, die sich zu einer Pyramide türmen. Leute aus dem Volk haben die Botschaft Luthers verstanden. Sie musizieren und tanzen. Aus einem verdörrten Baum wächst zaghaft ein neuer Zweig mit frischen Blättern. Da erlebt man Luther inmitten von einfachen Menschen und hört ihnen zu: „... dem gemeinen Mann auf dem Markt auf das Maul sehen, und sehen wie sie reden“ war sein Pläsier. Luther und Melanchthon, sein Vertrauter, werden als entfernte Betrachter eines gefolterten Aufrührers gezeigt. Kaum eine Regung spürt man bei ihnen, es lässt sie kalt. Die expressiv gezeichneten Kommentare Ehrts zu den Zehn Geboten fallen erwartungsgemäß aktuell aus.

Jüngst erschienen von Rainer Ehrt ist sein neues Preußen-Buch. In den „Preußischen Landfahrten“ nimmt Ehrt die Betrachter mit durch die herbe und auch liebliche märkische Landschaft, ihre erfreuliche Geschichte und ihr Heute, ironisch und provokant. Die Bilder des Malers und Grafikers haben in dem Text-Bild-Buch ein Pendant in feinsinnigen lyrischen Texten erhalten, die ebenfalls von Ehrt stammen. Hintergründigkeit inbegriffen.

Ausstellung im Kulturministerium, Dortustraße 36, vom 28. September bis 4. November, montags bis freitags 7 bis 18 Uhr. „Preußische Landfahrten“ Poetische Texte und Bilder, Dahlemer Verlagsanstalt, 40 Euro

nbsp;Klaus Büstrin

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