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Gast und Gastgeber. Loriot mit Altbischof Schönherr.

© Johannes Schönherr

Kultur: Loriots erste Liebe

1985 kam der Humorist für eine Ausstellung nach Brandenburg. Eine Schau im Landtag erinnert daran

Von Loriot bekommt man eigentlich nie genug. Wer seinen Humor mag, der lacht auch beim hundertsten Mal über sein Karikaturenkabinett der menschlichen Verklemmtheiten. Mit einem gut platzierten „Die Ente bleibt drin!“ lässt sich jede Diskussion, die ins Absurde abzudriften droht, wieder einfangen. „Ich möchte einfach nur hier sitzen“, mag manchen Ehe-Streit hat verpuffen lassen.

Deshalb ist es erst einmal auch kein Wunder, dass die am Dienstagabend im Landtag eröffnete Loriot-Ausstellung „Moooment – Loriot, der Brandenburger in Brandenburg“ am Mittwochvormittag proppenvoll mit Besuchern ist. Dabei – und das gleich als kleine Enttäuschung vorweg – gibt es wenig aus seinem Werk zu sehen, dafür aber viel über sein Leben und seine Beziehung zu Brandenburg zu lesen.

Vicco von Bülow, wie der 2011 gestorbene Humorist mit bürgerlichem Namen hieß, wurde am 12. November 1923 in Brandenburg an der Havel geboren. Die Mutter stirbt, als er sechs Jahre alt ist, 1938 zieht er mit Vater und Bruder nach Stuttgart. Und den Gesetzen der Geschichte zufolge kehrte er dann für lange Zeit nicht in seine Geburtsstadt zurück. Bis zum Jahr 1985. Damals engagierten sich die Brandenburger für eine erste Loriot-Ausstellung in der DDR, die dann tatsächlich im Dom zu Brandenburg zustande kam. Loriot kam zur Eröffnung und nahm damit ein – wenn auch sehr kleines und privates – Stück Wiedervereinigung vorweg. Nicht weil er es politisch wollte, sondern weil er, wie er es nannte, dem „spontanen Zauber der Verständigung“ nachgab. Und dann stand er da, vor der, wie es heißt, jubelnden Menschenmenge, sah den „obersten Funktionär für diese Dinge neben dem deutschen Ständigen Vertreter und dem Landesbischof der DDR und all diese Menschen, die untereinander oder von hier nach drüben oft ein gespanntes Verhältnis haben“.

Und eben um diese Verständigung geht es schwerpunktmäßig in der kleinen Ausstellung im Landtag, die vom Brandenburger Verein „Die Altstädter“ und dem Büro Zeit-Seeing konzipiert wurde und die künftig dauerhaft in Brandenburg/Havel zu sehen sein wird. Fotos und Texte werden ergänzt durch alte Dokumente, wie etwa dem Schriftverkehr der SED-Kreisleitung zu dieser ersten Loriot-Ausstellung in der DDR, der in seiner zum Gehirnwindungen brechenden Förmlichkeit fast auch von Loriot stammen könnte. Als alles vorüber war, fasste sich die Stasi deutlich kürzer, man könnte fast sagen: sie klagte enttäuscht: „Die von dem ,Loriot’ am Schluss der Veranstaltung erteilten Autogramme hatten großen Zuspruch.“

Die Rechnung der Veranstalter damals – darunter Altbischof Schönherr, Gerda Arndt und Manfred Stolpe – ging überhaupt nur auf: die politisch Verantwortlichen verhedderten sich in ihrem eigenen Zuständigkeits- und Absicherungsgestrüpp. Eine offizielle Genehmigung wurde, so ist in einem Bericht der Stasi zu lesen, nie erteilt.

Bei aller Liebe zum Detail, die in der aktuellen Ausstellung im Landtag erkennbar ist, ist die Menge an Text – verteilt auf vier Stellwände – keine Einladung, sich in das Thema zu vertiefen. Von vertikalen Flächen zu lesen wird schnell anstrengend, besonders, wenn die Schrift auch noch sehr klein ist. Modernere Ausstellungselemente hätten den Spaß an den Details sicher vergrößert.

Etwa all die hübschen Details aus Loriots Biografie, die hier erzählt werden: Der Strampler, den Loriots Eltern ihm 1923, zur Zeit der Inflation, für 480 Milliarden Mark kauften – was in den 1990er-Jahren etwa dem Jahresetat der Bundesrepublik entsprach. „Es muss eine überwältigende Strampelhose gewesen sein, sinnvoll, einmalig und formschön – dem Etat der Bundesrepublik in gewisser Weise deutlich überlegen.“ Oder die Erinnerung an seine „erste Liebe“: Zu seiner Taufe, erinnert sich Loriot, wurde er kurz mit der ebenfalls an diesem Tag getauften Luise Dietz in einem Kinderwagen abgelegt: „Für Säuglinge heute unbegreiflich: Ich missachtete die Gunst der Stunde ... ich fürchte, mein damaliges Versagen beruhte auf reiner Prüderie.“ Das versuchte er bei seinem ersten Aufenthalt in Brandenburg als Erwachsener wettzumachen, indem er nach dem Verbleib des Mädchens forschte. Jedoch zu spät. Luise Dietz war bereits 1977 gestorben. Ariane Lemme

Die Ausstellung ist bis 19. Juni im Foyer des Landtags, Am Alten Markt, zu sehen

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