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Kultur: London-Memory

Farbexpressive Bilder von Matthias Mücke in der Villa Kellermann

Es ist schon überraschend, wenn man ein italienisches Restaurant betritt, ausgerechnet auf Stadtansichten von London zu treffen. Genau das passiert in der Potsdamer Villa Kellermann. Der Berliner Maler und Grafiker Matthias Friedrich Mücke präsentiert dort im Erdgeschoss seine farbexpressiven Londonimpressionen. „London – Day and Night“ hat er die Folge genannt, die nach einem Kurzurlaub in der britischen Metropole entstand.

Fast ein Dutzend quadratmetergroße Ölgemälde hängen neben Dreierserien, die nur wenig Platz einnehmen. Die Motive, von denen die meisten den gängigen Touristenrouten zuzuordnen sind, stellen selbst aber keine „Postkartenansichten“ dar.

Piccadilly Circus beispielsweise, einer der Treffpunkte für Besucher aus aller Welt, und einstmals als „Nabel des Empire“ bekannt, zeigt nicht den eigentlichen Mittelpunkt – den Eros-Brunnen mit vielen von Touristen besetzten Stufen davor – sondern eine riesige Fassade mit vielfarbigen Leuchtreklamen von gegenüber. Auf den nächtlichen Bildern wird viel vom Dunkel verschluckt, was beim Betrachter eine fast anheimelnde Geborgenheit entstehen lässt. Die beinahe gleiche Stadtansicht lässt einen bei Tag – jetzt unterkühlt und museal wirkend – einigermaßen verloren zurück.

Die Impressionen von Trafalgar Square, Lexington Street und eben von Piccadilly, auf denen die Nacht zum Tag wird, zeigen die eigentliche Lebensenergie der Stadt. Manchmal fühlt man sich auch wie in einen Film versetzt, wenn man die nächtlichen Eindrücke immer wieder an sich vorüberziehen lässt. Die vielen kleinen Bildausschnitte – der typischen Busse, von Fassaden oder Lokalitäten – lösen hingegen so etwas wie einen Memory-Effekt aus. Immer wieder ist man am Überlegen und Zuordnen oder taucht in Erinnerungen ein.

Um eben solche geht es auch im zweiten Teil der originellen Exposition. Matthias Mücke, Jahrgang 1965, ist nämlich nicht nur Maler und Grafiker, sondern er veröffentlicht seit einiger Zeit auch Kinderbücher, schreibt Drehbücher für Krimiserien (SOKO Leipzig) und arbeitet außerdem als freier Szenenbildner für zahlreiche Filmproduktionen.

In einem kleinen Raum der ersten Etage der Villa Kellermann hat er jetzt ein eher ungewöhnliches Projekt ausgestellt. „Oma Berlins letzte Reise“ ist diese „Bildgeschichte“ betitelt, die sich wie ein Fries an den vier Raumseiten entlang zieht. Deren Protagonistin lebt in einem „Abstellheim“ für Alte und wird eines Tages in ihrem einsamen Warten auf den Lebensabend durch einen Brief „gestört“. Ihre dadurch ausgelöste (Erinnerungs-)Reise wird in 16 sehr poetischen Bildern und genau so vielen Texten dargestellt. Und es ist nicht verwunderlich, die alte Frau mit ihren prallen Lebenserinnerungen und ihrem blauen Kleid plötzlich in der Modern Tate Gallery wieder zu finden. Im Gästebuch können Briefe an „Oma Berlin“ hinterlassen werden, die sich dann fast wie der Anfang einer neuen Geschichte lesen: Jemand lädt die wunderbare alte Frau zu einer Weltreise ein, an anderer Stelle meldet sich ein lange verflossener Liebhaber bei ihr. Astrid Priebs-Tröger

Ausstellung bis 1. Juni, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 12 bis 22 Uhr

Astrid Priebs-Tröger

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