zum Hauptinhalt

Kultur: Lob des Absurden

Schön seltsam: PeterLicht las im Waschhaus aus alten und neuen Texten

Es ist ruhig geworden um PeterLicht: Der Mann, der einst mit „Sonnendeck“ unfreiwillig zum Indiepop-Star aufstieg, Wörter wie „Proteinketten“, „Energieträger" oder "Altersvorsorgeaufwendungen" in deutsche Poptexte einführte, keine Fotos von sich zuließ und stattdessen einen Bürostuhl zum Fernseh-Interview schickte, ist mittlerweile vor allem als Autor unterwegs. Sein letztes Studio-Album erschien 2011, seitdem schreibt er Theaterstücke, Bücher und Kolumnen für die Süddeutsche Zeitung.

Dementsprechend gastierte der Ingeborg Bachmann-Preisträger am Donnerstag nicht mit einem Konzert im Potsdamer Waschhaus, sondern mit einer Lesung: „Emotionale hört die Signale! Auf zum letzten Verzicht!“, so der Titel seiner aktuellen Lesetour, auf der Peter Licht alte Texte präsentiert und noch unbekannte ausprobiert. Solche, aus denen vielleicht einmal Songs für ein neues Album werden könnten.

Es sind seltsame, aber schöne Texte, und genau so ist auch der Abend: Mit rund 50 Besuchern ist das Waschhaus nicht gerade überfüllt. PeterLicht betritt die Bühne, setzt sich hin und beginnt ohne Anmoderation den Text des Songs „Sag mir, wo ich beginnen soll“ vorzutragen: „Erst morgen werden wir wissen, wie glücklich wir heute waren.“ Es wird der einzige Songtext an diesem Abend bleiben. Jeder, der heimlich gehofft hat, PeterLicht werde zumindest mit Akustik-Gitarre ein paar „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ zum Besten geben, muss sich mit der reinen Prosa zufrieden geben.

PeterLicht ist nicht unbedingt ein Popstar, wie man schon 2012 bei seinem letzten durchwachsenen Konzert in Potsdam sehen konnte: Brille, Denkerstirn, schütteres Haar - das Format „Lesung“ ist tatsächlich der bessere Rahmen für den Künstler, der sich auf Bühnen immer unwohl zu fühlen scheint. „Willkommen am Ende der Lieder, willkommen beim Abhandenkommen der Pegelstände, willkommen am kosmischen Löwentor, in das wir auserwählten Krisenwesen eintreten, willkommen bei der Ankunft der tausend neuen Präsidenten!“, ruft Peter Licht wie ein Marktschreier voll grundloser Euphorie.

Er plaudert nicht, sucht selten Blickkontakt zum Publikum, trägt ausschließlich die Texte vor, lässt dazwischen meist keine Pausen für Applaus. Nach anfänglicher Verwirrung kommen die mäandernden Gedanken- und Wortassoziationen jedoch gut an, darunter Sprachgeschenke wie „Meinungsklumpen“ und „unbeschuhte Staatenlose“ oder Slogans wie „Gebt uns Probleme und wir retten euch die Welt!“

Trotz des spröden Auftritts und der einen oder anderen Länge kann PeterLicht auch an diesem Abend durch das überzeugen, was ihn vor allem als Popmusiker so einzigartig macht: Sein lustvoller Umgang mit der deutschen Sprache. Nicht verschämt, nicht ironisch, wie so viele Deutsch-Pop-Lyriker, sondern ein bisschen wie ein freundlicher Außerirdischer, der diese kuriose Sprache mit kindlicher Faszination hin und her dreht, und schaut, was man daraus machen kann.

„Ein gesellschaftlicher Vorgang bildet sich, und harrt der warmen Hand eines Bearbeiters“, assoziiert sich PeterLicht durch seine ganz eigene Betrachtung der spätkapitalistischen Gegenwart. Bei aller spielerischen Leichtigkeit, mit der er Alltagsgegenstände und -vorgänge in absurde Stillleben verwandelt, sind politische Untertöne in den Texten stets präsent, etwa beim Dialog zwischen „Krisenkäufer und Krisenverkäufer“.

So abrupt wie der Abend begann, endet er auch: Nach einer Stunde sagt Peter Licht plötzlich: „Hugh, ich habe gesprochen. Danke, das war's!“, klappt das Buch zu, verbeugt sich zweimal und eilt zum Ausgang. Der Außerirdische ist weitergeflogen, die Menschen bleiben zurück, in ratloser Heiterkeit. Erik Wenk

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false