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Verschenkt? Eva Menasse und Denis Scheck im Park der Villa Jacobs auf der Lit:potsdam-Bühne.

© Foto:Dirk Bleicker / www.dirkble

Lit:potsdam-Festveranstaltung: Ein fast zu schöner Abend

Mit Eva Menasse stand bei der neunten Ausgabe des Literaturfestivals erstmals eine Frau im Zentrum der Veranstaltung. Eine kritische Stimme fehlte allerdings.

Potsdam - Der Abend ist noch nicht alt, und schon war so viel vom Glück die Rede, dass einem bange wird. Geradezu taumelnd vor Freude über das wiedererstarkende kulturelle Leben sprechen Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle und Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (beide SPD) vom Glück, sich wieder begegnen zu können. Beide des Dankes voll dafür, gerade hier, im Privatpark der Villa Jacobs feiern zu dürfen, was das mögliche Ende der Pandemie sein könnte. Oben eine Turmvilla, unten der Jungfernsee. Hier findet traditionell die Festveranstaltung von Lit:potsdam statt.

Eine österreichische Berlinerin stand im Zentrum

2021 stand in der neunten Ausgabe des Festivals erstmals eine Frau im Zentrum dieser Veranstaltung: die österreichische Berlinerin Eva Menasse. Als angesichts dieses gebündelten Glücks „high und euphorisiert“ bezeichnet sich auch Denis Scheck. Wer im Publikum wollte da widersprechen, bei hausgewachsenem Wein, Sommerlüftchen und atemberaubender Kulisse? 

Nur dass Scheck als Moderator geladen war und man gerade diesem Abend nichts mehr gewünscht hätte als einen kühlen Kopf. Eine Moderation, die nicht nur charmant, belesen und euphorisiert ist, sondern auch a bisserl kritisch.

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Zunächst war noch einiges zu lernen. Etwa, dass Eva Menasse leicht angenervt ist vom omnipräsenten Bruder Robert, der seit Gymnasiumszeiten „immer schon da war“ – auch hier, in der Villa Jacobs, war er vor ihr. Dass sie an der Kurzform der Erzählung hängt, aber angesichts von Verlags- und Publikumsgeschmäckern inzwischen „auch fast mürbe“ geworden ist; aus dem im August erscheinenden Roman „Dunkelblum“ wird später gelesen.

Dann liest Eva Menasse aus ihren vergnüglichen, bissigen Erzählungen „Tiere für Fortgeschrittene“. Ein Text, der von einer Schuleinführung erzählt, von Dünkel und Rassismus hinter bürgerlicher Fassade, und der sich nicht, warum auch, vor den Worten „Eskimo“ und „Indianer“ fürchtet. „Im neuen Roman kommen Zigeuner vor, ich sag es lieber gleich“, sagt Menasse und ruft „zur Entspannung“ auf.

Keine unüberwindbaren Gräben aufmachen

Der Versuch, politisch korrekte Sprache durchzusetzen, sei nichts Geringeres als eine Art des „religiösen Fundamentalismus“, sagt Menasse, und bezieht sich auf Astrid Lindgren: „Es gibt keinen einzigen Neonazi weniger, weil man ‚Negerkönig‘ streicht.“ Eine Frage des Alters, sagt sie: „Mit 20 war ich auch moralinsauer.“

Bitte keine unüberwindbaren Gräben aufmachen, sagt Menasse, und bezieht das auf Peter Handke, aber auch auf Monika Maron und Sibylle Lewitscharoff. Schriftsteller:innen hätten eben nicht vernünftig zu sein, sondern streitbar. Das kann man so sehen, aber bestimmt auch anders, und hier wäre auf den Moderator zu hoffen gewesen. 

Der aber lächelt, bringt das Gespräch unter anderem auf Blake Bailey, dessen Biografie von Philipp Roth wegen Vergewaltigungsvorwürfen an Bailey vom Markt genommen wurde. Schenk findet, das sei ein „fulminanter“ Abend gewesen. Man könnte auch sagen: schön, aber verschenkt. 

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