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Schön und bissig. Die Grande Dame des Hans Otto Theaters, Rita Feldmeier, im Duett mit Michael Schrodt.

© HL Böhme

Kultur: Liederliches zu dritt

„Sie will, er darf und einer muss“ ist ein gelungenes Musikstück mit zwei Diven

Gut, Rita Feldmeier, die Dietrich der Schiffbauergasse, singend hinter einem Mikrofon, das gab es ja bereits, damals in der „Blechbüchse“ am Alten Markt, und da durfte auch Arrangeur Jörg Daniel Heinzmann am Flügel schon den Begleiter geben. Aber ein singender Michael Schrodt, dieser flapsige Bühnentänzer, der sonst eher als Moderator in Erscheinung trat – na das kann ja was werden!

Und es wurde was. Dass eine Premiere im Hans Otto Theater mal kein Theaterstück ist, kommt ja relativ selten vor. Es sollte am Donnerstagabend im „nachtboulevard“ in der Reithalle also ein Liederabend werden, der den griffigen Titel „Sie will, er darf und einer muss“ trug. Nun klingt „Liederabend“ ja so verharmlosend wie ein Chortreffen der Realschule – und trifft damit so gar nicht, was das Programm letztlich war: ein rauschendes Fest mit zarten und bissigen Chansons, die von Feldmeier und Schrodt mit grandioser Leidenschaft gesungen wurden.

Nach zartem Einstieg mit Nana Mouskouri gab es schon einen kleinen Vorgeschmack auf das, was sich im Laufe des Abends häufen würde: Der jüdische Revuekomponist und Kabarettist Friedrich Hollaender, der in den 20er-Jahren eine feste Größe im Berliner Kulturbetrieb war, lieferte gleich mehrere der angekündigten Lieblingslieder – und ein passendes Solostück für Rita Feldmeier. „Die hysterische Ziege“ ist wie geschaffen für die Feldmeier, die dem Stück eine launige Interpretation verpasst: „Mensch, bin ich hysterisch!“, gackert sie mit aufgerissenen Augen ins Mikrofon, während die Konsonanten überakzentuiert aus ihr hinauspurzeln und Schrodt sie mit vorgeschobener Oberlippe mustert, als müsste er sich vor ihrer Hysterie wegducken. Ihm wird es im Laufe des Abends natürlich nicht gelingen, aus dem Schatten der Feldmeier zu steigen – was soll’s, Diva kann er selbst auch ganz gut: Lasziv an den Flügel gelehnt singt er „Allein in einer großen Stadt“ von Marlene Dietrich, kein Muskel zuckt in seinem Gesicht – Schrodt braucht keine Mimik, sondern nur das zarte Timbre seiner Stimme.

Nette, unkomplizierte Unterhaltung bis hierher, die seicht dahinplätschert und mit der man es sich mit einem Glas Wein ganz bequem machen kann – vermutlich war dieses Täuschungsmanöver der Plan des Trios, das von nun an die Bremse löste und bissiger wurde. Und Bissigkeit hat einen Namen: Georg Kreisler, der König des schwarzen Humors. „Es wird alles wieder gut, Herr Professor“, singt die Feldmeier wie eine leicht beschwipste Dietrich in einem Wiener Caféhaus – und dann soll Schrodt auch seinen Kreisler bekommen. Und der liegt ihm – ja, fast hätte man sich einen reinen Kreisler-Abend mit den beiden gewünscht.

Jetzt nahm das Programm ordentlich Fahrt auf: Otto Reutter wurde gesungen mit „Die echte deutsche Gründlichkeit“, und gleich darauf gab es wieder einen Zeitgenossen Reutters, der bereits einen Auftritt gehabt hatte: „An allem sind die Juden schuld“, sang dieser sarkastisch 1931 auf die Melodie von Georges Bizets „Habanera“ aus der Oper „Carmen“, bevor er das Land verlassen musste – Schrodt singt eine aktuellere Fassung. „Ob der Airport mal eröffnet, ob der Bürgermeister schwul“ – an allem seien die Juden schuld, holt er die saftige Antisemitismus-Kritik ins Heute, auch an Bankenkrise, Pegida, Griechenland. Nichts mit plätschernder Unterhaltung, da sollten sich einige doch ruhig mal an ihrem Rotwein verschlucken! „Wir haben es ins Programm genommen, weil wir es zeitlos finden“, erklärt Schrodt danach. „Weil wir, die Menschen, immer die Schuld bei anderen suchen.“ Ein notwendiger Schritt von Schrodt, weil dieses Lied in seinem triefenden Sarkasmus nicht ohne Erklärung stehen gelassen werden sollte. Und wenn er gerade dabei ist, darf Bruno Balz, der von den Nazis aufgrund seiner Homosexualität verhaftet und gefoltert wurde und doch Lieder wie „Ich brech die Herzen der stolzesten Frauen“ schrieb, auch nicht fehlen. Pause – und die war auch nötig. Nach der Pause gab es wieder etwas von Friedrich Hollaender, Schrodt sang die Knef, und Feldmeier Annett Louisan – aber das soll sich der Besucher mal schön selbst anhören. Was für ein Jammer wäre es auch, wenn man sich diesen grandiosen Abend mit seiner reduzierten Ausstattung – er braucht lediglich einen Flügel und drei Mikrofone – entgehen ließe. Eine Verschwendung geradezu, wenn das Hans Otto Theater aus dieser Produktion keinen Exportschlager macht: Von zarter Berührung inklusive sanftem Dahinschmelzen bis zu bissigem Kabarett war an diesem Abend, der von zwei Diven gestaltet wurde und der einem viel, viel zu kurz vorkam, einfach alles vorhanden. Bravo.

Nächste Vorstellung am Samstag, 2. Mai, um 19.30 Uhr im „nachtboulevard“

Oliver Dietrich

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