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Kultur: Liebevolle Fabel im Thalia

Markus Goller stellte seinen Film „Simpel“ vor

Von Sarah Kugler

Ein geschwisterliches Band kann stark sein. Manchmal sogar so stark, dass sich eine Abhängigkeit entwickelt, die ein Leben ohneeinander unmöglich macht. Im Film „Simpel“ ist diese Abhängigkeit - so scheint es anfänglich - zunächst pragmatischer Natur: Einer von zwei Brüdern ist geistig behindert und somit auf die Hilfe des anderen gewiesen. Dass es vielleicht auch anders herum sein könnte, verriet Regisseur Markus Goller am Samstagabend im Babelsberger Thalia-Kino, in dem er den Film vorstellte.

Auf sehr liebevolle Art und Weise erzählt „Simpel“ von den Brüdern Ben (Frederick Lau) und Barnabas (David Kross), der wegen seiner Behinderung von allen Simpel genannt wird. Die beiden sind unzertrennlich, Ben kümmert sich aufopferungsvoll um seinen Bruder. Auch dann, als die Mutter stirbt und Simpel in ein Heim eingewiesen werden soll. Da nur ihr Vater (Devid Striesow), der die Familie vor langer Zeit verlassen hat, den Heimeinweisungsbeschluss rückgängig machen kann, machen sie sich auf den Weg nach Hamburg, um ihn zu suchen. Eine Odyssee beginnt.

Wie Markus Goller am Samstag im Thalia erzählte, habe er nicht zwanghaft einen Film über Inklusion oder den Umgang mit Behinderten drehen wollen. Vielmehr habe ihn die Figur Simpel beim Lesen des gleichnamigen Romans von Marie-Aude Murail fasziniert. „Er ist ein Mensch, der sehr frei und offen auf Menschen zu geht“, so der Regisseur, der durch Filme wie „Friendship“ (2010) oder „Frau Ella“ (2013) bekannt geworden ist.

Auf der Buchvorlage basiere der Film allerdings nur sehr lose: „Im Buch gibt es noch viel mehr Figuren, auf die Simpel trifft, das ist alles sehr schön, aber nicht besonders filmisch. Wir mussten uns auf einen Strang konzentrieren“, erklärte Goller. Und so konzentriert sich die Geschichte auf die Beziehung der beiden Brüder. In berührenden und zum Teil sehr witzigen Szenen werden dem Zuschauer immer wieder Rituale der beiden gezeigt. Etwa die immer gleiche Geschichte, die Ben Simpel am Abend vorliest sowie das anschließende Gebet, in dem Simpel seiner verstorbenen Mutter vom Tag erzählt. Oder auch verrückte Szenerien, die die beiden sich ausdenken.

Auch wenn die Hamburg-Reise der beiden dabei nicht immer ganz realistisch scheint und Bens Erkenntnis, dass er nach 22 Jahren intensiven Kümmerns doch vielleicht etwas Zeit für sich braucht, etwas zu dramatisch inszeniert ist: Der positiven Quintessenz des Films tut das keinen Abbruch. Denn letztendlich ist „Simpel“ eine liebevoll gemachte Fabel, die mahnt, das Leben so gut es geht zu genießen. Und dafür manchmal auch ein Band zu zerschneiden – oder doch zumindest etwas lockerer zu lassen. Sarah Kugler

„Simpel“ läuft täglich um 18.15 Uhr im Thalia-Kino

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