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Kultur: Liebesgrüße aus und an Versailles

Chorfest in der Nikolaikirche

Der Alte Markt in Potsdams wiederhergestellter historischer Mitte hat an diesem Samstagabend sein opulentes lichtdesigntes Fassadengewand angelegt – getreu der familienfestlichen Einladung zu „Unterwegs im Licht“. Das Palais Barberini verführt zum Besuch der Ausstellung „Hinter der Maske“. Vorm Potsdam Museum drängen sich die Menschen, um jazzigen Klängen zu lauschen. Auf der Treppe zur Nikolaikirche dagegen windet sich eine um Einlass begehrende Schlange, die der Verführung von „Impressions françaises“ nicht widerstehen kann.

Doch nicht alle können in den musikalischen Genuss gelangen, denn der Schinkelbau ist längst bis auf den letzten Platz gefüllt. Anlässlich des bundesweiten „Deutsch-Französischen Tages“ zur Erinnerung an den am 22. Januar 1963 abgeschlossenen Elysée-Freundschaftsvertrag zu gegenseitiger Zusammenarbeit soll französische Chor- und Orgelmusik gleichermaßen Herz und Verstand der Zuhörer bewegen. Und gleichzeitig musikalische Grüße an Potsdams Partnerstadt Versailles überbringen. Von dort ist das 45-köpfige Laienchorensemble „Melisande“ unter Leitung von Olivier Delafosse angereist, um gemeinsam mit hiesigen Vokalgruppen von gewachsenen persönlichen Beziehungen zu künden.

Zunächst sorgt die berühmte Tokkata von Charles Widor für festliche Einstimmung, die Nikolaikantor Björn O. Wiede auf der neuen Orgel zu klangprächtiger Wirkung bringt. Danach folgt das Defilee der Chorgemeinschaften, wobei der Raum in wechselnde Lichtstimmungen getaucht wird. Doch zunächst treten alle gemeinsam auf. Dabei gesellen sich zu den „Melisande“-Gästen die Potsdamer Vokalistinnen (Leitung: Gabriele Tschache), das Männervokalensemble Adlershof (Tobias Wein) und Mitglieder des Nikolaichores Potsdam. Die Treppenstufen zum Altarraum können sie kaum fassen. Unter Tschaches Dirigat erklingt stimmschön der moderne Chorsatz „The Peace of God“ von David Owen Squires. Vorgetragen vom etwas zögerlich singenden Männerchor und sicheren Frauenstimmen folgt der von Inge Lindner am Klavier begleitete und von Wein dirigierte „Cantique de Jean Racine“ des Gabriel Fauré. Allein und a cappella künden die Potsdamer Vokalistinnen in Giovanni da Palestrinas „Adoramus te“ und im „Tota pulchra est“ von Maurice Duruflé von ihren stilkundigen Sangeskünsten. Auch die von Tobias Wein angeführte achtköpfige Herrenriege aus Adlershof fühlt sich mit dem im neogregorianischen Stil verfertigten „Ubi Caritas“ des Ola Gjeilo und dem mittelalterlichen Hymnus „Ave Maria stella“ mit ihrer zarten Vortragskunst hörbar wohl.

Den Höhepunkt bildet die Messe solennelle für gemischten Chor und zwei Orgeln von Louis Vierne, bei der sich alle Chöre zu einem imponierenden Gesamtklang zusammenfinden. Die exakten, fingerspitzenvibrierenden Gesten Delafosses strahlen eine magische Rhetorik aus und sorgen für ein konzentriertes, geschmeidiges und leidenschaftliches Singen – Chapeau! An der Großorgel ist Wiede für die dramatisch-wuchtigen Ausbrüche zuständig, während Mirlan Kasymalijew an der Altarorgel die lieblichen und verspielten Zutaten liefert. Léon Boëllmanns nachfolgende Suite gothique mit ihrem motorischen Tokkata-Crescendo weiß Wiede mit Bravour zu meistern. Peter Buske

Peter Buske

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