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Bekennender Familienmensch. Hans W. Geißendörfer im Thalia.

©  Manfred Thomas

Kultur: Liebe und andere Drogen

Hans W. Geißendörfer war mit „In der Welt habt ihr Angst“ im Thalia Filmtheater zu Gast

Hans W. Geißendörfer, vielfach preisgekrönter Regisseur, Autor und Produzent, ist ein Familienmensch. Der „Vater der Lindenstraße“ sprach am Sonntagabend nach der Vorpremiere seines neuen Kinofilms „In der Welt habt ihr Angst“ sowohl über die familiäre Atmosphäre in seiner mehr als 20-jährigen Serie als auch über seine Sorgen als Vater dreier Töchter. Und er bedankte sich ausdrücklich bei Familie Mühe, ohne die sein Liebesdrama mit Anna Maria Mühe in der Hauptrolle nicht zustande gekommen wäre.

Mit ihrem 2007 verstorbenen Vater Ulrich Mühe habe er in der kalten Einsamkeit Lapplands diverse Flaschen Rotwein getrunken und über die Schwierigkeiten gesprochen, die es mit sich bringt, die eigenen Kinder in sogenannten Patchwork-Familien zu integrieren. Und für Anna Maria ist er selbst eine Art Vaterersatz geworden, ihr habe er auch die bewegende Liebesgeschichte des drogenabhängigen Paares Eva (Anna Maria Mühe) und Jo (Max von Thun) gewidmet. Für deren Umsetzung er aber kaum finanzielle Unterstützung erhielt, denn es sei schwierig, mit Drogenabhängigen als Protagonisten eine Förderung zu erhalten. Heroinsucht sei in der Öffentlichkeit vergessen und in deren Bewusstsein sind Junkies der letzte Abschaum und selber schuld, sagte er im Filmgespräch.

Dass er sich mit dem Thema befasste, liegt zum einen daran, dass er als Vater Angst hatte, dass sich seine Töchter, die in London groß wurden, in einen Drogenabhängigen verlieben könnten. Und zum anderen wollte er eine „Liebesgeschichte mit den schlimmsten Voraussetzungen“ inszenieren, eine, in der die Liebe Berge versetzen kann. Und so beginnt Geißendörfers Film damit, dass Eva und Jo, nachdem sie wissen, dass sie Eltern werden, beschließen, ein neues Leben in Neuseeland anzufangen. Dafür brauchen sie Geld und weil es ihnen niemand freiwillig gibt, überfallen sie ein Antiquariat. Das misslingt, Jo wird noch am Tatort verhaftet und Eva wegen Raubmordes von der Polizei gesucht.

„In der Welt habt ihr Angst“ zeichnet vor allem das Psychogramm einer jungen Frau, die schon als Kind ihre Mutter verlor, mit ihrem christlich-strengen Vater nicht mehr kommunizieren kann und nun alles daran setzt, ihre Liebe zu dem heroinsüchtigen Musiker gegen die enge Moral einer deutschen Mittelstadt zu verteidigen. Geißendörfer erzählte ausführlich, wie seine Wahl auf Bamberg als Drehort gefallen ist und was so eine tausendjährige Stadt, „mit angsteinflößender Architektur und Geschichtsballast“ auch für eine psychologische Wirkung auf junge, sensible Menschen ausüben könne. Aktuelle Zahlen gäben ihm recht, sei doch diese Universitätsstadt noch vor wenigen Jahren die mit der größten Anzahl Heroinsüchtiger und einer hohen Suizidrate unter jungen Leuten gewesen.

Dass die Liebesgeschichte dennoch nicht in dunkler Hoffnungslosigkeit versinkt, liegt neben mehreren parallel laufenden Beziehungsgeschichten auch an der Besetzung. Eva überfällt auf ihrer dramatischen Flucht den Lateinlehrer Paul Krämer, der von Axel Prahl verkörpert wird. Dieser schaffe es, „dass Eva am Ende in unseren Herzen angekommen ist“, so Autor und Regisseur Geißendörfer, für den Prahl trotz kleinen Budgets die absolute Wunschbesetzung war. Außerdem faszinieren an dem Film seine Bildsprache und die Melange der Musik von Johann Sebastian Bach, Franz Schubert und den Filmkompositionen der Band Patty Moon. Allerdings, so äußerte eine Zuschauerin, wäre für sie weniger mehr gewesen, da der Film in der Thematik überladen wirke und an einigen Stellen mehr in die Tiefe hätte gehen müssen. Doch, so der zumeist geäußerte Tenor, der Film rege zum Nachdenken an, und das sei, so Geißendörfer zum Abschluss des einstündigen, oft familiär wirkenden Gesprächs, das schönste Kompliment für ihn. Astrid Priebs-Tröger

Ab Donnerstag, 3. März, im Thalia Filmtheater, Rudolf-Breitscheid-Straße 50

Astrid Priebs-Tröger

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