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Wilhelm-Staab-Straße mit Nikolaisaal in Richtung Yorkstraße.

© Andreas Klaer

Weihnachtskonzert der Universität Potsdam: Leises Summen statt lautes Klatschen

Das Weihnachtskonzert der Universität Potsdam wurde im Nikolaisaal laut bejubelt - allerdings nicht mit dem üblichen Applaus. 

Potsdam - Sensiblen Musikerohren würde frenetischer Applaus nicht guttun. So wendet sich Dirigent Kristian Commichau gleich zu Beginn des diesjährigen Weihnachtskonzertes der Universität Potsdam am Dienstag an das euphorisch gestimmte Publikum. Denn von Kommilitonen, Eltern, Freunden, Bekannten und sonstigen Anverwandten werden die studentischen Klangkörper – der chorische „Campus Cantabile“ und die orchestrale „Sinfonietta Potsdam“ – johlend wie auf dem Fußballplatz begrüßt.

Der Vorschlag des Dirigenten: Statt Klatschen solle das Publikum Gelungenes mit „Hhhhhhhmmm“-Lautäußerungen „wie nach einem guten Essen“ belohnen. Der Tipp kommt an, wird durchgehalten und sorgt fortan für eine stimmungsvolle Atmosphäre, die das Weihnachtskonzert „Tausend Sterne sind ein Dom“ mit vorrangig säkularen Stücken prägt. Nach fünfzehnminütiger Verspätung, also akademisch standesgemäß, kann die vorweihnachtliche „Betriebsfeier“ der Uni Potsdam dann im ausverkauften Nikolaisaal beginnen.

Episoden aus der Weihnachtsgeschichte

Die Stücke erzählen Episoden der Weihnachtsgeschichte um Jesu Geburt nach: Von der Verkündigung über das Treffen der Engel mit den Hirten bis zur Anbetung der Weisen. Doch fern des Üblichen hat Commichau ein ungewöhnliches, abwechslungsreiches und emotional packendes Programm entworfen, das auf faszinierende Weise auf das Weihnachtsfest einstimmt.

Für die Etappenbegleitmusik sorgen größtenteils instrumentale und chorische Piecen von Jean-Philippe Rameau (1683-1764), die meist dem Pastoralen verpflichtet sind. Sie entstammen diversen Divertissements seiner Opéra-ballets und entpuppen sich als höfische Tänze wie Rondeau, sind aber auch volkstümlichen Zuschnitts wie Rigaudon, Musette oder Tambourine. Auf modernem Instrumentarium befleißigt sich die „Sinfonietta Potsdam“ einer Spielweise, die historisch informierte Klänge zu erzeugen versteht. Bereits im einstimmenden „Prolog“ überzeugen sie mit gedeckten Klangfarben, spielerischer Eleganz, filigraner Artikulation und geschmeidiger Homogenität. Die Mischung macht's und lädt zum intensiven Zuhören ein. 

Eine gelungene Mischung

Man kann sich in Getragenes versenken, Hymnisches frohen Herzens genießen, ungewöhnliche chromatische Tonfolgen entdecken, sich vom martialischen Rhythmus einer Landknechtstrommel aufschrecken lassen oder Fröhlichbewegtes genießen. Und spätestens, wenn die Geigerin Magdalena Rogaczewska plötzlich ihr Instrument beiseitelegt, um der „Musik der Hirten“ ihre sopranleuchtende Unterstützung zu geben, wird man der vielseitigen musikalischen Ausbildung an der Uni gewahr. 

All dem seelenerbaulichen Musizieren stehen die prächtig einstudierten, homogen und facettenreich tönenden Stimmen des personalstarken „Campus Cantabile“ in nichts nach. Wie schön, dass auch einige Choristen bei den sechsfachen Publikumsmitsingaktionen – „Vom Himmel hoch“ über „Tausend Sterne sind ein Dom“ bis zu „Sind die Lichter angezündet“ – als Dirigenten in Erscheinung treten.

Mehrere Töne gleichzeitig singen

Star des langen Abends ist allerdings Cora Krötz, die zu den wenigen Frauen weltweit gehört, die den polyphonen Obertongesang beherrschen. In einer Kurzeinführung erläutert sie die Technik dieser staunenswerten Gesangskunst, bei der man mehrere Töne gleichzeitig singen kann. Dazu brauche es einer speziellen Zungentechnik, um zu einem ausgehaltenen Grundton noch zahlreiche Obertöne erzeugen zu können. Frappierend, wie dieser meditative Sound, begleitet vom differenzierten Anschlagen gedeckelter Klangschalen bis zum Zupfen oder Streichen einer zweiseitig mit Saiten bespannten Holzsäule den Hörer in einen intensiven Kontakt zur Musik bringt. 

Nicht weniger staunenswert, wie unter ihrer Anleitung der rundum im Saal verteilte Chor Variationen von Atemgeräuschen schließlich menschliche Stimmen zu imaginieren versteht. Das Ganze ein Weihnachtsgeschenk der Extraklasse. 

Peter Buske

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