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Kultur: Lebenswege von Frauen

Bärbel Scholl las im Frauenzentrum aus der Autobiografie von Ayaan Hirsi Ali

Knapp ein Dutzend Frauen haben sich um den großen ovalen Holztisch versammelt. Gleich wird eine aus ihrer Mitte ein ziemlich schwergewichtiges Buch in die Hand nehmen und beinahe eine Stunde lang daraus vorlesen. Immer wieder wird sie zum Gelesenen einen persönlichen Bezug herstellen oder eingeworfene Fragen beantworten. Am Ende werden alle noch lange und lebhaft diskutieren.

Am Montagabend traf sich zum ersten Mal in diesem Jahr der Literaturkreis Potsdamer Frauen im gemütlichen Café des Frauenzentrums. Dieser lose Zusammenschluss, für den historische literarische Salons durchaus Pate gestanden haben könnten, existiert nunmehr seit sechs Jahren. Einmal pro Monat treffen sich Frauen zwischen 35 und 65 aus Potsdam und der Umgebung, um vorwiegend Bücher von Autorinnen, beginnend im 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, die sich besonders mit den Lebenswegen von Frauen sowie deren Einfluss in Gesellschaft, Politik und Kultur befassen, einander vorzustellen.

Diesmal las die inzwischen pensionierte Lehrerin Bärbel Scholl aus der Autobiografie „Mein Leben. Meine Freiheit“ der niederländischen Politikerin somalischer Herkunft Ayaan Hirsi Ali. Diese engagierte Menschenrechtlerin und „Europäerin des Jahres 2006“, kämpft unter Lebensgefahr gegen einen rückständigen Islam und für die Emanzipation muslimischer Frauen. Hirsi Ali war es auch, die für den 2004 ermordeten niederländischen Filmemacher Theo van Gogh das Drehbuch für seinen Film „Submission“ schrieb. Danach musste sie außer Landes gebracht werden.

Bärbel Scholl, seit mehr als zwei Jahren dem Literaturkreis des Frauenzentrums zugehörig, war schon seit einiger Zeit auf die mutige Frau aufmerksam geworden. Und da sie in der Vergangenheit Bücher der türkischen Soziologin Necla Kelek und der iranischen Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi vorgestellt hatte, griff sie diesmal zur Autobiografie der Somalierin. Aufmerksam lauschen die Frauen den Passagen aus deren Kindheit und Jugend. Als sie die Szenen des Beschneidungs-Rituals der 5-Jährigen wiedergeben will, kann sie kaum weiterlesen, zu sehr berühren sie die Schilderungen dieser unmenschlichen Zeremonie.

Ayaan Hirsi Ali wollte auch in diesem, ihrem zweiten Buch zeigen, was Frausein im Islam heißt und „berichten, wie diese Welt wirklich ist“. Das gelingt ihr eindrucksvoll und Bärbel Scholl kann diese, ihren Zuhörerinnen zumeist unbekannte Welt, ein ganzes Stück näher bringen. Dass das nicht nur hierzulande wichtig und nötig ist, beweist die sich anschließende Diskussion.

An den kommenden Leseabenden werden weitere Facetten historischen und gegenwärtigen Frauenlebens vorgestellt. Geplant sind Texte von Angelika Schrobsdorff, Lou Andreas-Salomé sowie das neu erschienene Buch der Potsdamer Autorin Barbara Wiesener über Pfarrerstöchter in der ehemaligen DDR. Und die Mitorganisatorin des Lesekreises Rita Mildebrath wünscht sich, dass in diesem Jahr noch mehr literaturinteressierte Frauen den Weg in die Potsdamer Zeppelinstraße finden.

Astrid Priebs-Tröger

Nächster Literaturkreis am 12. Februar, 19.30 Uhr, im Frauenzentrum, Zeppelinstraße 189, Lonny Neumann liest aus „Seidenraupe und Füchse“

Astrid Priebs-Tröger

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