zum Hauptinhalt

Kultur: Lebenskraft Kunst

Internationale Ausstellung Mund- und Fußmalender Künstler in der Galerie am Neuen Palais

Ein Leben, ohne die eigenen Hände benutzen zu können, erscheint den meisten von uns unvorstellbar. Und doch gibt es Menschen, die durch angeborene oder erworbene Behinderungen nicht in der Lage sind, eben dies zu tun. Eine von ihnen ist die 46-jährige Antje Kratz aus Frankfurt am Main. Sie kam als contergangeschädigtes Kind – ohne Arme und Hände – auf die Welt und wollte schon im Kindergarten Malerin werden. Also hat sie bereits früh ihre Füße nicht nur für die alltäglichen Verrichtungen, sondern auch zielstrebig zum Malen eingesetzt. Am Sonntag konnte man der selbstbewussten und lebenslustigen Frau in der Galerie am Neuen Palais bei ihrer Arbeit direkt über die Schulter schauen.

Dort zeigen bis zum kommenden Sonntag 27 Künstler aus 13 verschiedenen Ländern unter dem Titel „Lebenskraft Kunst“ ihre Bilder, die in den unterschiedlichsten Maltechniken mit dem Mund oder den Füßen gemalt worden sind. Das ist ihnen in keinem Falle anzusehen und es ist auch „nur ein Detail“, wie der Italiener Eros Bonamini, Präsident der 1957 gegründeten Vereinigung der Mund- und Fußmalenden Künstler in aller Welt (VDMFK), in seiner Eröffnungsansprache sagte. Denn ein Künstler malt nicht zuerst mit der Hand, dem Fuß oder eben dem Mund, „sondern vor allem mit seinem Geist, seinen Gefühlen und Empfindungen, dem jeweiligen Talent und seiner Kultur“. Und genau das zeigt die vielfältige und umfangreiche Exposition.

Anerkannte Künstler, wie der wahrscheinlich bekannteste deutsche Mundmaler Thomas Kahlau aus Caputh, stellen hier ihre kraftvollen Landschaftsbilder aus. Daneben sind die farbexpressiven Akte von Lars Höllerer oder auch zahlreiche Stilleben, darunter die von Mi-Soon Han aus Südkorea oder von der Deutschen Doris Mauser zu sehen. Aber auch die exzellenten Stadtansichten in Aquarelltechnik des US-Amerikaners Brom Wikstrom sowie die filigranen, in Mischtechnik entstandenen Federzeichnungen des Österreichers Paulus Ploier ziehen den Betrachter in ihren Bann. Ihnen ist bei allen Unterschieden in der Vielfältigkeit ihrer Sujets und Empfindungen jedoch eines gemeinsam: Sie sind eindrucksvolle Belege der Lebenskraft und des unbändigen Gestaltungswillens ihrer Schöpfer.

Und da nicht wenige von ihnen aufgrund ihrer Behinderung vom „normalen“ Leben rigoros ausgeschlossen waren, wie beispielsweise die 1938 geborene Renate Schaible-Kaufmann, die nie eine Schule besuchen konnte, war das Malen auch immer eine Möglichkeit, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Ihnen zu zeigen, „wie schön die Natur ist“ wie Markus Kolp mit leuchtenden Blüten oder sie an seinen „Träumen teilhaben zu lassen“ wie Reinhard Melzer in seinen aquarellierten Landschaften. Dass sie mit dem Malen eine eigene oder eine neue Lebensaufgabe fanden, „verdanken“ sie einem Schicksalsgenossen, dem Mundmaler Arnulf Erich Stegmann. Der vor genau 50 Jahren den VDMFK gründete und durch die professionelle Vermarktung seiner Kunstwerke finanziell unabhängig leben konnte.

Durch Stipendien beziehungsweise ein regelmäßiges monatliches Einkommen ermöglicht diese Vereinigung inzwischen über 700 Mitgliedern weltweit ein weitgehend selbst bestimmtes und sinnerfülltes Leben. Für ihre deutschen Mitglieder organisiert sie seit sechs Jahren außerdem einen Sommerworkshop in Potsdam, der auf Initiative von Thomas Kahlau zustande kam. Gemeinsam mit der Berliner Malerin Monika Sieveking wird eine Woche in Klausur gegangen und mit großem Engagement an der Vervollkommnung der Maltechniken und des künstlerischen Ausdrucks gearbeitet. Acht Teilnehmer des gerade zu Ende gegangenen Durchgangs waren am Sonntag auf der außerordentlich gut besuchten Vernissage dabei und genossen sichtlich das Bad in der Menge.

Galerie am Neuen Palais, täglich bis 30. September von 13 bis 18 Uhr geöffnet

Astrid Priebs-Tröger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false