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Kultur: Lebensansichten einer Kämpferin

Jörg Hildebrandt stellte einen Foto-Erinnerungsband über Regine Hildebrandt in der Stadt- und Landesbibliothek vor

Fotos spielten eine wichtige Rolle im Leben der Regine Hildebrandt. Nicht nur, weil sie selbst seit Schulzeiten eine Kamera besaß und unzählige Alben im Laufe ihres Lebens mit persönlichen Bildern füllte. Auch später als Politikerin wurde sie oft und wirkungsvoll abgelichtet. Darüber hinaus hat Regine Hildebrandt auch immer wieder selbst per Fotoaufnahmen Zeitgeschichte dokumentiert. Jetzt hat Jörg Hildebrandt, der 35 Jahre lang mit der viel zu früh verstorbenen „Mutter Courage“ verheiratet war, das umfängliche Familienarchiv geöffnet.

„Erinnern tut gut“ hat er seinen sehr persönlichen, soeben im Aufbau-Verlag erschienenen Bildband genannt und dabei nicht nur an sich selbst und die Kinder und Enkel gedacht. In diesen Tagen stellte er den Band gemeinsam mit dem ehemaligen Brandenburger Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und der Journalistin Helga Fensch im Rahmen der Brandenburgischen Frauenwoche in der Stadt- und Landesbibliothek vor. Vor mehr als 100 Zuhörern, die dicht gedrängt im größten Veranstaltungsraum fast zwei Stunden lang gespannt den Ausführungen der Weggefährten der beliebten Politikerin lauschten.

Selbst Manfred Stolpe, der Regine Hildebrandt nicht erst seit der gemeinsamen Regierungsarbeit kannte, war vom Gesamtbild, dass sich ihm mit diesem Buch auftat, überrascht. Wusste er doch wenig über ihre Kindheit und Jugend in Berlin, die für die von Anfang an in der Bernauer Straße Lebende eng mit deutscher Zeitgeschichte verbunden war. Ausgebombt ein Jahr vor Kriegsende, die Ereignisse vom 17. Juni 1953 sowie der Mauerbau 1961 waren für ihre Familie nicht nur der Anlass, in dieser „Schicksalsstraße“ mehrmals gezwungenermaßen die Wohnung zu wechseln. Fotos vom geteilten Berlin und solche von der Sprengung der Versöhnungskirche 1985 gehören bei der früh Widerständigen wie selbstverständlich ins Familienarchiv.

Alltags- und Zeitgeschichte finden sich auch in den Aufnahmen von ihren späteren Arbeitsstellen, den Lieblingsbeschäftigungen und Urlaubsreisen sowie den persönlichen und politischen Freunden und Wegbegleitern. In sieben verschiedenen Alben hat Jörg Hildebrandt die Fotos thematisch zusammengefasst und mit einfühlsamen und aussagekräftigen Bildtexten versehen. Rekonstruiert hat er vieles mit Regines nahezu täglichen Aufzeichnungen in Taschenkalendern, persönlichen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen. Denn über ihr Leben hat die träumende Kämpferin bereits früh reflektiert. Die Texte „Ich will es genau wissen“, „Sauberkeit und Ordnung“ und „Träume in der Zeit“ bieten eine berührende Innensicht der Frau, die sich mit ganzer Kraft und großem Herzen für Benachteiligte einsetzte.

Das tat sie trotz schwerer Krankheit und politischer Enttäuschungen bis an ihr Lebensende. Sowohl ihre Lebenslust als auch ihre Trotzigkeit sind in eindrücklichen Bildern und Texten für uns festgehalten. An ihrem Todestag, dem 26. November 2001 finden sich noch sechs Termine in ihrem Kalender: von der Teilnahme an Dreharbeiten und einer Pressekonferenz bis hin zur Porträtsitzung bei der Malerin Antoinette und der geliebten Chorprobe am Abend. Drei Tage später wollte sie Manfred Stolpe treffen. „Und ich mache das, was mir aufgetragen ist, immer bis zum Schluss“, steht nüchtern darunter. Daran hat sie sich gehalten. Und nötigte damit nicht nur ihren Gegnern großen menschlichen Respekt ab.

„Erinnern tut gut“ ist ein fesselndes und eindrückliches Porträt von Regine Hildebrandt und ihrer Familie geworden. Darüber hinaus dokumentiert es überzeugend ein wesentliches Stück Alltags- und Zeitgeschichte unseres Landes. Und lädt nicht nur die Nachgeborenen ein, sich mit den Folgen von Krieg, Teilung und Wiedervereinigung am Beispiel dieser Familie auseinander zu setzen. Astrid Priebs-Tröger

„Regine Hildebrandt. Erinnern tut gut“ ist 2008 im Aufbau-Verlag erschienen, Hrsg. von Jörg Hildebrandt.

Astrid Priebs-Tröger

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