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Keine heile Welt. Tom (Frédéric Brossier, links) gerät in die Fänge der Partydroge Crystal Meth – Svenja (Larissa Aimée Breidbach) bleibt skeptisch. „Auf Eis“, auf sehr dünnem sogar, bewegen sich die beiden in dem gleichnamigen Jugendstück von Petra Wüllenweber trotzdem.

© Göran Gnaudschun

Larissa Aimée Breidbach am HOT: Die Heimatlose

Schauspielerin Larissa Aimée Breidbach fühlt sich an keinem Ort zuhause. Schon eher dazwischen.

In der Potsdamer Inszenierung des „Kruso“ gibt es eine Figur, die der „Verrückte Junge“ heißt. Ein schmaler Bursche in brauner Kutte. Immer, wenn die in einer Hiddenseekneipe Gestrandeten nicht weiter wissen, taucht dieser Junge auf. In den Händen rot-weiße Signalflaggen, wie man sie in der Schifffahrt verwendet. Der Junge wirbelt die Flaggen durch die Luft, diszipliniert und stolz steht er an der Rampe. Er hat etwas zu sagen, und sagt es mit aller Kraft. Nur: Es versteht ihn niemand. Es ist, als würde er in einen tosenden Lärm hineinbrüllen, der alle Geräusche schluckt.

Der „Verrückte Junge“ wird gespielt von Larissa Aimée Breidbach, seit dem letzten Jahr im Ensemble des Hans Otto Theaters. Es ist eine einprägsame Rolle, obwohl sie stumm ist. Eine sehr traurige Rolle. Hier will eine die anderen offenbar vor dem – unvermeidbaren – Schiffbruch retten, aber schaffen wird sie es nicht: Wer kennt schon das Flaggenalphabet? „Das Erstaunliche ist ja, dass im Stück immer alle von dem ,Verrückten Jungen’ reden, den sie nur von Ferne kennen – aber später finden sie heraus, dass es ein alter Mann ist“, sagt Breidbach. So spielt sie alt und jung, die Hoffnung und die Enttäuschung dieser Hoffnung, zugleich.

Irgendwie passt das auch auf Larissa Aimée Breidbach: diese Mischung aus Kindlichkeit, die sie jünger macht als ihre 33 Jahre, und einer Weisheit, die viel älter scheint. Und es passt auf Svenja, eine der Hauptfiguren in Petra Wüllenwebers Jugendstück „Auf Eis“, das gerade in der Reithalle Premiere hatte. Larissa Aimée Breidbachs Svenja ist eine Sechzehnjährige, die aber reife Sätze sagt wie: „Ich will nicht immer nur auf mein Aussehen reduziert werden.“ Und die sich, anders als ihre Freunde, nicht vom Glücksversprechen der Partydroge Crystal Meth einfangen lässt. Sylvia hat das, was Breidbach meint, nicht zu haben, aber an ihren Figuren oft mag: einen gesunden Pragmatismus. Ein Urvertrauen, von dem sie geleitet werden. Wie die Natascha in Tschechows „Drei Schwestern“, die sie am Hans Otto Theater auch spielt. Natascha ist eine bodenständige Frau, von den drei Schwestern erst als Bauerntrampel verhöhnt und schließlich Herrin über deren Haus. Eine Realistin, die ihren Weg geht, auch wenn es ein Trampelpfad ist.

Die Svenja in „Auf Eis“ sagt einmal: „Manchmal wünsche ich mir, ich könnte unsichtbar sein.“ Wenn Breidbach von ihrer Kindheit in Mülheim erzählt, klingt es, als habe sie das damals auch manchmal gedacht. Aimée, das heißt auf Französisch „die Geliebte“, hat aber mit einer behüteten Kindheit nichts zu tun. In ihrem Umfeld war Larissa Aimée Breidbach die einzige Farbige, zumindest die einzige ohne Vater. Ihre Mutter ist Lehrerin, der Vater ein Mann aus Burkina Faso, den sie nie kennengelernt hat. Sie weiß nicht einmal, ob er noch lebt. Einmal war sie in Burkina: Dort war sie „die Weiße“. Beguckt und bestaunt, ein exotischer Fremdkörper – wie in Deutschland auch. Hier ist sie „die Schwarze“. Erlebte vor allem als Jugendliche, welche Klischees damit verbunden werden: das der exotischen Schönheit, automatisch Objekt einer Begierde, die mit Rassismus Hand in Hand geht. „Eine Heimat habe ich nicht“, sagt Breidbach. Und weiß auch gar nicht so genau, ob ihr das eigentlich fehlt.

Seit der Entscheidung für das Schauspielstudium an der HFF (und gegen die Medienwissenschaften) wird sie immer wieder mit der Frage konfrontiert: Wie schwarz darf eine Rolle sein? Auch wenn das oft gar nicht böse gemeint sein will: Hier zeigt sich die so unkünstlerische wie rassistische Fratze des Film- und, weniger, auch des Theaterbetriebs. Anstatt Figuren zu diskutieren, muss Breidbach oft Farben diskutieren. Als wäre die Frage „Darf Julia schwarz sein?“ eine, die sich im 21. Jahrhundert stellt. Sie wäre, übrigens, gerne mal Ibsens „Hedda Gabler“.

Larissa Aimée Breidbach spielt trotz allem, und gern, immer wieder auch in Filmen mit. In dieser Woche kam „Egon Schiele – Tod und Mädchen“ in der Regie von Dieter Berner in die Kinos. Breidbach spielt hier Moa Mandu, die Geliebte des Malers und Bürgerschrecks Egon Schiele. Eine Varieté-Tänzerin, die auch als Aktmodell arbeitet, ausgerechnet. Also doch das ewige schwarze Objekt der Begierde? Ja und Nein, sagt Breidbach. Ja, Mandu war eine Frau, die über ihren Körper definiert wurde – „aber auch eine Künstlerin, die ihren eigenen Mythos geschaffen hat.“ Außerdem, und das hat Breidbach besonders berührt, eine Heimatlose, deren Herkunft niemand kennt: Afrika oder Steiermark? Das hat Mandu niemandem verraten. Sie starb jung an einer Farbvergiftung. Aber: „Sie war die Einzige, die Schiele nicht zerstört hat.“

Filmgespräch mit Larissa Aimée Breidbach am 23.11. um 18.45 Uhr im Thalia Kino, Rudolf-Breitscheid-Str. 50. „Auf Eis“ am 29. und 30.11. in der Reithalle A, Schiffbauergasse 16 .

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